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Familienpoker: Vijay Kumars vierter Fall (German Edition)

Familienpoker: Vijay Kumars vierter Fall (German Edition)

Titel: Familienpoker: Vijay Kumars vierter Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sunil Mann
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Maria als Mörderin zu überführen. Seit ich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit wusste, dass sie uns kaltblütig die Prügelgang auf den Hals gehetzt hatte, bestand an ihrer Täterschaft für mich kein Zweifel mehr.
    Auch fragte ich mich, ob es eventuell schon früher Nonnen gegeben hatte, die nicht mehr mit den Lügen leben und sich die Schuld von der Seele reden wollten. Falls ja, was war mit ihnen geschehen?
    Ich lehnte mich ans Fensterbrett und verschränkte die Arme, ohne Sánchez aus den Augen zu lassen. Der Mann mochte ein Monster sein, ein Mörder und ein widerwärtiger Zeitgenosse – gerade jetzt sah er aber überhaupt nicht danach aus. Sein Gesicht war blass, die Haut schuppig und dünn wie Pergament, sodass die Blutbahnen grünlich durchschimmerten – Auswirkungen seiner fortgeschrittenen Nierenkrankheit. Genauso wie die Tatsache, dass er viel älter wirkte, als er tatsächlich war. Die Lippen standen leicht offen und ein Speichelfaden hing ihm im Mundwinkel. Seine knochigen Hände lagen kraftlos in seinem Schoß und zitterten selbst im Schlaf, der Pyjama, den er unter einem dunkelgrünen Morgenrock trug, war viel zu weit für seinen ausgemergelten Körper.
    Seine Augen waren von einem wässrigen Hellblau, wie ich feststellte, als er sie jetzt aufschlug. Sánchez starrte mich an und tastete dann panisch nach dem Klingelknopf, der an einem Kabel über der Armlehne seines Rollstuhls gehangen hatte.
    Wortlos hob ich meine Hand mit dem Knopf und legte das Teil auf den Schreibtisch neben mir, unerreichbar für den alten Mann.
    »Doktor Sánchez, ich muss …«
    »Ich heiße Lopez!«
    »Lassen wir den Scheiß. Wir beide wissen haargenau, wer Sie wirklich sind.«
    »Was wollen Sie?«, krächzte er nach einer Pause, seine Lippen verursachten dabei ein schmatzendes Geräusch.
    Ich reichte ihm die Schnabelflasche, die ihm während des Nickerchens auf den Boden gefallen war, und gierig griff er danach. Während er schlürfend trank, ließ er mich keine Sekunde aus den Augen.
    »Unterlagen«, beantwortete ich seine Frage. »Zu all den Kindern, die Sie im Lauf der Jahre verkauft haben.«
    »Davon ist mir nichts bekannt.«
    Darauf war ich vorbereitet. »Oberschwester Maria hat mir einen Tipp gegeben.«
    Sánchez’ Blick blieb ungerührt an mir haften. »Das würde sie nie tun.«
    »Ich habe ein kleines bisschen nachhelfen müssen …«, log ich und machte eine grimmige Miene. Der Arzt hatte zurzeit keine Möglichkeit, meine Aussage auf ihren Wahrheitsgehalt hin zu überprüfen. Gleichzeitig wollte ich damit markieren, dass mit mir nicht zu spaßen war. Was auch stimmte. Wegen ihm war mein feuchtfröhliches Wochenende mit José ins Wasser gefallen, stattdessen hatte ich mir letzte Nacht im Park beinahe die Lunge aus dem Leib gekotzt, eben eine schweißtreibende Radtour hinter mich gebracht und jetzt sehnte ich mich nach einem wohlverdienten Drink und einer Zigarette. Ich war echt schon besserer Laune gewesen.
    »Wer schickt Sie?«
    Es war Sánchez nicht anzusehen, ob er mir den unerbittlichen Folterknecht abnahm. Ich erklärte ihm meinen Auftrag und wer ich war, worauf er den Kopf schräg legte und mich interessiert musterte. »Zu meiner Zeit kamen Detektive noch angemessen angezogen zu Hausbesuchen.«
    »Alles eine Frage der Umstände.«
    »Bisher konnte mich niemand ausfindig machen, nicht einmal diese hartnäckige kleine Journalistin.« Ein Hauch von Achtung lag in seiner Stimme.
    »Sie werden sie bald wiedersehen.«
    »Darauf kann ich verzichten. Ihnen ist schon klar, dass Sie dieses Grundstück nicht lebend verlassen werden?«
    Ich winkte ab. »Lassen Sie die Drohungen. Ich habe es bis hierher geschafft, ohne entdeckt zu werden, also werde ich auch ohne Hilfe Ihres Personals rausfinden. Oder wollen etwa Sie mich aufhalten?«
    »Werden Sie nicht frech!«
    »Was ist jetzt mit den Unterlagen?«
    »Wie gesagt: Davon weiß ich nichts.« Mir fiel auf, wie verschlagen Sánchez zeitweise wirkte, nur um sich im nächsten Augenblick ohnmächtig wie ein seniler Greis in den Rollstuhl zurückfallen zu lassen.
    »Mir können Sie nichts vormachen, Sánchez, ich weiß vom illegalen Kinderhandel, den Sie und Ihr Kollege jahrelang geführt haben.«
    »Nein, nein, nein!« Störrisch schüttelte Sánchez den Kopf, was eine geradezu typische Geste für die Beschuldigten in diesem Fall zu sein schien. Jedenfalls hatte ich dieselbe Reaktion schon bei der hochehrwürdigen Mutter wie auch bei Oberschwester Maria

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