Familienscheiße: Wir hassen sie, wir lieben sie - Geschichten über die, die uns am nächsten stehen
weiß es einfach nicht.
Ich wäre enttäuscht, wenn er ein Depp wäre, ein unsympathischer Scheiß-Kerl, ein Säufer. Niemand will, dass so jemand der Vater ist. Ich wäre aber auch enttäuscht, wenn er ein feiner Kerl wäre, anständig, lieb, erfolgreich. Denn dann hätte ich immer das Gefühl, etwas verpasst zu haben. Und ich würde mir immer die Frage stellen, warum er mich nie kontaktiert hat. Warum er einfach kein Interesse an mir hatte.
Was ist, wenn er krank ist? Und ich mich plötzlich um ihn kümmern muss? Was ist, wenn er mit Menschen zusammen lebt, die ich nicht leiden kann?
Und was ist mit meinen Halbgeschwistern? Vielleicht sind es ja tolle Leute, und wie im Film werden wir dann eine große, lustige Patchwork-Familie. Aber was, wenn nicht? Was, wenn die alle doof sind? Dann hole ich mir Menschen in mein Leben, ohne die es vorher auch gut ging, und die ich dann vielleicht nicht mehr los werde.
Letztlich habe ich wohl Angst. Angst vor dem Unbekannten. Angst vor Gefühlen. Never change a running system, sagt man ja immer. Und so versuche ich immer mich selbst zu beruhigen, indem ich mir sage: "Ich werde es schon in mir fühlen, wenn ich bereit bin, den Schritt zu gehen, meinen Vater und meine Halbgeschwister kennen lernen zu wollen." Die berühmte innere Stimme, die mich dann leiten wird, das Richtige zu tun.
Das Ostergeheimnis
Die Überraschte
Melanie, 24, Studentin
Ich gehörte immer zu den Kindern, die noch verhältnismäßig lange an den Weihnachtsmann glaubten. Für mich gab es an der Existenz des rauschebärtigen Greis im roten Mantel keinerlei Zweifel. Ich hatte ihn zwar nie in echt gesehen, zufälligerweise machte ich immer gerade Mittagsschlaf, wenn er an Weihnachten bei uns war und die Geschenke ablieferte. Das war mir auch ganz recht, denn man hatte als Kind ja schon auch immer ziemlich Schiss vor diesem Typen. Auch die Erklärung meiner Mutter, er hätte nicht so viel Zeit, er müsse eben schnell weiter, weil er ja auch die ganzen anderen Kinder beschenken muss, leuchtete mir völlig ein.
Als ich sechs Jahre alt war, erfuhr ich die bittere Weihnachtswahrheit. Ich war mit meiner Mutter unterwegs, und in einem Kaufhaus entdeckten wir eine niedliche Plüschmaus, die ich unbedingt haben wollte. Meine Mutter erbarmte sich, und kaufte sie tatsächlich. Allerdings nur unter einer Bedingung: Ich würde sie erst an Weihnachten bekommen. Bis dahin müsste ich mich gedulden. Ich akzeptierte den Deal. Schließlich ist Vorfreude die schönste Freude. Und so freute ich mich auf meine Maus.
Ein paar Tage später fand auf der Arbeit meiner Mutter eine Weihnachtsfeier für die Kinder der Angestellten statt. Das war damals so üblich. Wir Kids saßen also in dem festlich geschmückten Raum, aßen Pfefferkuchen, Plätzchen und Orangen. Wir sangen Weihnachtslieder und spielten. Und natürlich warteten wir alle ehrfurchtsvoll auf den Mann in rot. Der Weihnachtsmann sollte tatsächlich heute und hier vorbei kommen. Ich hatte große Angst, denn noch nie bin ich dem Weihnachtsmann vorher begegnet. War ich wirklich brav genug? Hatte ich zu befürchten, dass ich statt Geschenke die Rute bekomme? Ich war mir da nicht so sicher. Dann rumpelte und polterte es, und da war er: Mister Christmas höchstpersönlich. Ehrfurchtsvoll starrten wir Kinder ihn an. Dann rief er die Namen der anwesenden Kinder nacheinander auf. Woher er unsere Namen musste, war mir unklar, aber hey, es ist halt der Weihnachtsmann, der weiß halt alles. Die Kinder mussten alle einzeln vortreten, zum Weihnachtsmann gehen und dann ein Weihnachtslied oder ein Weihnachtsgedicht aufsagen. Erst dann bekamen sie ihr Geschenk. Ich machte mir fast in die Hose vor Angst. Zumindest sah es so aus, als würde niemand die Rute bekommen. Erleichterung. Dann sagte der Weihnachtsmann mit seiner tiefen Stimme meinen Namen. Oh Gott. Schluck. Ich ging nach vorne, mein Herz pochte. Ich traute mich kaum, den Weihnachtsmann anzuschauen. „Melanie,“ polterte er mit seiner tiefen Stimme, „was hast du für mich vorbereitet?“ „Ein Gedicht,“ antwortete ich leise piepsend, und trug es dann leise und konzentriert vor. Ich wollte nur noch weg. Ich hatte wirklich Angst. Und die Situation war wirklich unangenehm. Vor mir der Weihnachtsmann, hinter mir all die Zuschauer, es war schrecklich und einschüchternd. Aber irgendwie manövrierte ich mich da durch. „Gut gemacht, Melanie“, sagte der rote Mann wohlwollend, und drückte mir mein Geschenk in die
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