Family Affairs - Verbotenes Verlangen
Gewissen?“, wollte Leanne flüsternd wissen.
„Überleg dir genau, was du tust, Chloe“, funkte Ryan eindringlich dazwischen. Seine Stimme hatte einen panischen Unterton, der sie unter anderen Umständen sicher amüsiert hätte. Seine Warnung ignorierend, nahm Chloe den Faden wieder auf und holte zum letzten finalen Schlag aus. Sie würde sie allesamt mit in den Abgrund hinunterziehen, in den man sie vorhin kalt lächelnd gestoßen hatte.
„Ich werde es dir gerne erklären, Mutter “, sagte sie überdeutlich und warf einen gewollt lasziven Blick in Ryans Richtung.
„Chloe, nicht jetzt“, bat er ernst. „Nicht auf diese Weise …“
Doch nichts, auch nicht die Bitte in seinen Augen, konnte Chloe jetzt noch aufhalten.
„Halt den Mund, Ryan. Du hast kein Recht, mir etwas vorzuschreiben“, entgegnete sie kalt und wandte sich dann wieder an ihre wie versteinert dreinblickende Mutter.
„Tja, wie soll ich dir das schonend beibringen?“, fragte sie sich gespielt besorgt, doch dann ließ sie den falschen Schein fahren und legte einen möglichst stählernen Unterton in ihre Stimme. Jedes Wort war pures Kalkül, so hart und kalt wie der eisige Klumpen in ihrer Brust, der nicht mehr viel Ähnlichkeit mit einem warm schlagenden Herzen aufwies.
„Wenn ich es recht bedenke, habe ich eigentlich gar keine Lust, dich zu schonen. Ich werde es kurz und möglichst schmerzhaft machen, damit du nie vergisst, wie es ist, wenn man belogen wird.“
Leanne wurde – wenn möglich – noch bleicher, und Chloe verlor die letzten Skrupel.
„Stell dir vor, dein Verlobter und ich hatten wochenlang eine Affäre und das direkt vor deiner Nase“, erklärte sie triumphierend. „Ich muss schon sagen, ich kann gut verstehen, dass du so einen Narren an ihm gefressen hast. Er war wirklich gut im Bett, und er war verrückt nach mir. Es war wirklich schwer, ihn dazu zu überreden, die Sache zwischen uns zu beenden.“
„Nein, das glaube ich dir nicht. Du lügst, er hätte niemals …“
In ihren hellblauen Augen schimmerten Tränen, während ihre Blicke zwischen Chloe und Ryan hin und her sprangen. Sie konnte offenbar nicht fassen, was sie ihr da gestanden hatte. Doch Ryans schuldbewusster Gesichtsausdruck sprach Bände, und so spiegelte sich relativ schnell die Erkenntnis auf den Zügen ihrer Mutter, dass all diese Behauptungen der Wahrheit entsprachen. Eigentlich hätte Chloe sich jetzt noch viel besser fühlen müssen, doch als sich dieses Gefühl einfach nicht einstellen wollte, setzte sie noch einen drauf.
„Ehrlich, Leanne, du kannst wirklich stolz auf dich sein“, wisperte sie leise, während ihr Herz gerade ein zweites Mal brach. „Ich bin genauso eine Schlampe geworden wie du …“
Leannes heftiges Aufschluchzen tat Chloe trotz ihrer Wut und der gnadenlosen Enttäuschung in der Seele weh. Sie war noch immer ihre Mutter, nichts konnte an dieser Tatsache etwas ändern, und ein Teil von ihr – derjenige, der noch nicht abgestorben war – liebte sie noch immer mit kindlicher Arglosigkeit. Ein letztes Mal sah sie allen in die Augen. Bei Ryan verharrte sie besonders lange, bat ihn stumm um Entschuldigung, ohne zu wissen wofür, ehe sie sich umdrehte und zum Ausgang hinaus hastete. Die heißen Tränen, die sie die ganze Zeit über so heroisch unterdrückt hatte, drängten nun mit aller Macht hinaus und kullerten über ihre Wangen.
Kapitel 10
Joyce Brothers hatte einst gesagt, der beste Beweis für die Liebe wäre das Vertrauen. Doch wie sollte man vertrauen, wenn man nicht geliebt wurde? Diese Frage raubte Chloe den Schlaf, nachdem sie nun vor den Scherben ihres Lebens stand. Sie fühlte sich verraten und verkauft und konnte keinen von ihnen mehr in ihrer Nähe ertragen, weil sie genug hatte von den einlullenden Lügen, die wie zäher Sirup in ihren Kopf tropften. Natürlich hatten sowohl Leanne als auch Ross versucht, sie zu sprechen und standen abwechselnd vor ihrer Tür. Chloe ließ sie beide abblitzen und sperrte sich gegen jegliche Versuche einer Aussprache, doch das hinderte ihre Eltern nicht daran, es weiterhin zu probieren. Sie legten dabei eine erschreckende Penetranz an den Tag, und Chloe kam es so vor, als führten sie einen einvernehmlichen Wettstreit um ihre Gunst. Um dem zu entgehen, hatte sie sich mit Kassiopeia bei ihrer Freundin Beth einquartiert. Zu viel war passiert, zu viele Geheimnisse waren gehegt und gepflegt worden, die ihr nach Aufdeckung nichts als bohrenden Schmerz eingebracht
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