Family Affairs - Verbotenes Verlangen
hatten.
„Chloe, kann ich dir was zu essen machen?“
Beths Stimme war sanft, als sie sich vorsichtig neben Chloe setzte, die in eine warme Decke gehüllt vor dem Fernseher saß und stumm auf die dunkle Mattscheibe starrte. Sie schüttelte den Kopf.
„Chloe, so geht das nicht weiter. Seit Tagen verkriechst du dich hier und versteckst dich vor der Welt. Denkst du nicht, es würde dir besser gehen, wenn du dich deinen Problemen stellst?“
„Willst du mich loswerden? Du brauchst es nur zu sagen und ich bin weg.“
Sie fühlte sich sofort angegriffen von den Vorhaltungen ihrer Freundin und reagierte aggressiv.
„Darum geht es doch gar nicht. Du weißt, ich habe dich gern bei mir, und du kannst so lange bleiben, wie du willst, was aber nicht heißt, dass ich dir nicht ab und an ins Gewissen reden werde.“
„Und was soll ich deiner Meinung nach tun? Zu meiner Mutter gehen und sagen: ‚Du hast mich zwar mein ganzes Leben lang belogen, mir meinen Vater und meine Schwester vorenthalten, aber hey, was solls, das ist nicht weiter tragisch. Lass uns zusammen einen trinken gehen und darauf anstoßen, wie dumm und naiv ich war‘?“
Beth verschränkte angesichts ihres Spottes die Arme vor der Brust und hob verletzt ihr Kinn.
„Du solltest deine Wut nicht an mir auslassen, Chloe. Ich will dir nur helfen.“
Betreten senkte Chloe den Kopf.
„Hör mal, ich weiß, dass sich das nicht einfach so geradebiegen lässt, und ehrlich gesagt bin ich mir nicht mal sicher, ob deine Mutter überhaupt eine zweite Chance verdient hätte, aber du solltest zumindest mal mit ihr reden.“
Chloe schüttelte den Kopf.
„Das kann ich nicht. Ich will sie nie wiedersehen.“
Tränen liefen über ihre Augenränder und tropften ungehindert auf ihren Handrücken. Sie hob nicht mal die Hand, um sie wegzuwischen.
„Oh, jetzt heul doch nicht“, rief Beth.
Auch ihre Stimme zitterte verdächtig, was Chloe letztendlich doch zum Lachen brachte.
„Ach, du bist ja noch eine schlimmere Heulsuse als ich.“
Entnervt warf sie das Sofakissen nach ihrer Freundin, die sich kichernd auf den Rücken fallen ließ. Von unten her schenkte sie Chloe ihr typisches Beth-Lächeln, das sie wie einen frechen Kobold aussehen ließ.
„Wir sind vielleicht ein Paar. Beide keine Familie, die es wert wäre, so genannt zu werden, und verliebt in Männer, die sich einen Scheiß um unsere Gefühle scheren.“
Chloe verzog nach dieser so zutreffenden Feststellung das Gesicht, während Beth ihr einen schrägen Blick zuwarf.
„Was denkst du, Chloe? Sollen wir zum anderen Ufer wechseln und lesbisch werden? Ich bin nett, ich bin treu, ich kann kochen und bin ganz unterhaltsam, wenn man mich lässt. Der Traum jeder Schwiegermutter“, frotzelte sie.
Chloe grinste und tat spaßeshalber so, als würde sie ernsthaft darüber nachdenken. Sie versuchte, ernst zu bleiben, doch allein bei der Vorstellung, bei Beths zutiefst konservativer Mutter vorstellig zu werden, quasi als Schwiegertochter in spe, ließ sie schon nach wenigen Sekunden prustend aufgeben. Glucksend vor Vergnügen fiel sie nach hinten und fühlte sich das erste Mal seit Tagen wieder besser. Ihr war, als hätte das Lachen ihr die verstopften Gehirnwindungen freigepustet, und sie fragte sich entsetzt, wie sie sich so hatte gehen lassen können.
Beth hatte völlig recht. Es brachte sie nicht weiter, wenn sie sich noch länger verschanzte. Die Arbeit wartete, und während sie sich eine Auszeit gönnte, schnappten ihr die Kollegen gerade die lukrativsten Kunden weg.
„Du bist eine weise Frau, Beth“, erklärte sie und rappelte sich mit geschäftiger Miene auf.
„Ähm, danke“, erwiderte die verwirrt und war offenbar mit dem rasanten Stimmungswechsel ein wenig überfordert. „Aber was bedeutet das jetzt?“
„Das bedeutet, dass ich wieder in meine Wohnung zurückziehen werde. Und morgen früh steh ich wieder im Büro und sorge dafür, dass meinen lieben Kollegen der Arsch ordentlich auf Grundeis geht.“
Beth strahlte und wirkte über die Maßen erleichtert.
„So gefällst du mir. Ich dachte schon, ich sehe die alte Chloe nie wieder.“
Sofort sank sie wieder in sich zusammen.
„Das wirst du auch nicht. Die alte Chloe gibt es nicht mehr.“
Sie war unendlich traurig, weil sie einen Teil von sich selbst verloren hatte. All die Illusionen, die sie sich gemacht hatte, waren mit einem Schlag zerstört worden, ihr bisheriges Leben glich einer einzigen fetten Lüge. Sie versuchte, nicht mehr
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