Fanal des Blutes
Bemerkungen - und sie nahm es hin! War ihr etwa ihre sonstige Dreistigkeit abhanden gekommen, mit der sie sonst ans Ziel gelangte? Himmel und Hölle, als gestandene Reporterin des Sydney Morning Herald war sie doch wahrlich geübt darin, sich auch gegen Widerstand durchzusetzen, wenn sie etwas ganz Bestimmtes erreichen wollte. Und das wollte sie, mehr als alles andere.
Darrens Nachricht, die er in ihrer Wohnung hinterlassen hatte, hatte ihr, nachdem sie aus ihrem Rausch erwacht war, endlich klargemacht, daß sie etwas unternehmen mußte.
Ich muß für ein paar Tage weg, hatte er geschrieben. Ich melde mich, sobald ich zurück bin. Bis dahin benutze gefälligst deinen klugen Kopf und laß dich nicht so hängen. Oder sollte ich mich so in dir getäuscht haben?
Also hatte sie ihren Restvorrat an Alkohol in den Ausguß gekippt und eine Entscheidung getroffen: Sie würde das Kind (das Geschöpf!) in ihrem Bauch nicht bekommen! Eine Abtreibung würde das Problem lösen. Von dem Moment an war es ihr besser gegangen, und gleich heute Morgen hatte sie sich auf den Weg gemacht, ihren Entschluß in die Tat umzusetzen.
Daß sie jetzt hier in ihrem Wagen am Straßenrand hockte, wie ein Schlot qualmte und verzweifelt gegen die erneut aufsteigende Panik zu kämpfen hatte, demoralisierte sie mehr als alles andere zuvor. Was war ein Vorsatz wert, den man nicht in die Tat umsetzen konnte, weil sich alles gegen einen verschwor?
Wütend drückte sie die Zigarette im Aschenbecher aus und drehte den Zündschlüssel herum. Eine Adresse hatte sie noch. Das Viertel, in dem sie lag, ließ nicht gerade auf eine feudale Unterbringung hoffen, deshalb hatte Seven sie eigentlich auch gar nicht aufsuchen wollen. Aber nun blieb ihr wohl nichts anderes übrig, als doch hinzufahren.
*
»Also, Leute, folgende Einteilung gilt bis Sonntag einschließlich. Matt übernimmt den Bürodienst, Rupert und Chick die Streife, Jank und ich wechseln uns bei der Conen-Farm ab, bis Flemming aus dem Urlaub zurück ist.«
Sheriff Marc Trilsh hatte seine Leute sonst gut im Griff. Sie schätzten ihn als erfahrenen, umsichtigen und fairen Boß und waren im allgemeinen ohne weiteres bereit, seinen Anordnungen Folge zu leisten. Diesmal jedoch meldete Jank, ein junger Polizist, der erst seit einem Jahr bei der Truppe war, Widerspruch an.
»Mensch, Marc, wie lange willst du die Conen-Farm denn noch beobachten?« murrte er. »Vier geschlagene Wochen schleichen wir nun schon darum herum, und was haben wir entdeckt? Daß sich dort ein paar Leute zusammengefunden haben, die eine Art Wohngemeinschaft bilden und sich auf Kosten dieses Professors durchs Leben schlagen. Das mag zwar deiner bürgerlichen Moral gegen den Strich gehen, aber strafbar ist es ja nun auch nicht. Was soll das Ganze also?«
»Er hat recht, Marc«, pflichtete Rupert, mit seinen fünfzig Jahren der älteste im Revier, ihm bei. »Ich schätze zwar, es geht dem guten Jank vor allem darum, am Wochenende frei zu haben, damit er sich ausgiebig seiner Helen widmen kann. Es ist zweifellos reizvoller, mit ihr im Bett als mit dir auf der Lauer zu liegen.« Er grinste zu Jank hinüber, der prompt rot anlief und sich verlegen seinen Schnauzbart zwirbelte. »Aber was er sagt, ist trotzdem richtig. Sieh endlich ein, daß die Observation der Farm eine Schnapsidee war, die unsere Kräfte inzwischen einfach viel zu stark bindet.«
Marc schüttelte energisch den Kopf.
»Nein, Leute, da stimmt was nicht«, behauptete er. »Conen hat sich in Maitland nie als Wohltäter hervorgetan. Wenn er jetzt sechs Leute durchfüttert, die den ganzen Tag mehr oder weniger auf der Farm herumlungern, aber keinen einzigen Schritt vor das Grundstück setzen, dann ist da was faul! Und wenn er außerdem niemanden sonst auf seine Farm läßt und alle Türen und Fenster verrammelt hält, dann ist es sogar oberfaul.«
»Vielleicht feiern sie dort Orgien«, warf Matt feixend ein. »Diese halbwüchsige Göre mit dem Unschuldsblick und den knappen Höschen könnte ich mir ganz gut bei so was vorstellen .«
Marc warf ihm einen tadelnden Blick zu. Mit Matt ging leicht die Phantasie durch, vor allem, wenn sich die Gelegenheit zu solchen Phantasien bot - und Matt bot sich eigentlich immer eine solche Gelegenheit.
»Nein, Leute, ich hab's in der Nase, daß wir da noch unser blaues Wunder erleben werden«, beharrte er. »Ich bleibe dabei.«
Die anderen seufzten ergeben. Wenn ihr Boss seine berühmte Nase ins Spiel brachte, halfen keine Argumente
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