Fanal des Blutes
gewechselt hatte.
Seven seufzte schwer, aber keineswegs erleichtert. Sie knipste eine der vergoldeten Lampen an und griff nach ihrer Armbanduhr. Zwei Uhr vierzig. Sie hatte noch keine vier Stunden geschlafen!
Langsam ließ sie sich in die Kissen zurücksinken und schloß die Augen. Sie hatte noch gut fünf Stunden Zeit, bis sie aufstehen mußte. In der Greenwich-Road wurde sie erst um neun erwartet. Vier, fünf Stunden, hatte die pferdegesichtige Frau gesagt, dann würde sie sich nach Hause bringen lassen können. In zwölf Stunden also hatte sie alles hinter sich. Dieser Gedanke durchblitzte Seven noch, während sie schon wieder wegzudämmern begann.
An der Wohnungstür schepperte es.
Kurz bevor sie endgültig in dumpfen Schlaf hinübergleiten konnte, drang der metallische Klang in Sevens Bewußtsein.
Jeffrey Carter, der Hausmeister der Wohnanlage, mußte die tägliche Post eingeworfen haben. Es war sein besonderer Service, daß er die Sendungen, die unten bei ihm abgegeben wurden, nicht einfach in den Briefkästen im Eingangsbereich verteilte, sondern sie bis zu den einzelnen Wohnungen brachte.
Aber Moment mal . Warum tat er das mitten in der Nacht?
Oder hatte jemand anders ihr eine Nachricht durch den Briefschlitz geschoben? Darren vielleicht? Dann wäre er ja schon wieder zurück .
Der Gedanke machte Seven munter. Sie schwang die Beine aus dem Bett und tappte zur Tür.
Das helle Tageslicht erschlug sie förmlich.
Wie erstarrt blieb sie stehen. Die Augen hatte sie im ersten Reflex geschlossen und wagte kaum, sie nun wieder zu öffnen.
Im Wohnzimmer war es hell, nicht vom Schein der Lampen, sondern sonnenhell! Um Viertel vor drei Uhr nachts?
Konzentriert lauschte Seven. Durch die geschlossenen Fenster und Jalousien drangen dumpf die üblichen Geräusche des Straßenverkehrs - des Straßenverkehrs, wie er tagsüber vor dem Haus herrschte.
Übelkeit stieg in ihr auf. Ihre Beine begannen unkontrolliert zu zittern. Seven ließ sich auf das Sofa sinken. Kein Zweifel, sie hatte den wichtigsten Termin des Jahres verschlafen! Sie, die sonst mit sechs Stunden Schlaf auskam, sie, die noch nie zuvor das Schrillen eines Weckers überhört hatte, hatte sechzehn Stunden am Stück geschlafen!
Unwillkürlich sah Seven auf ihren Bauch hinab, in dessen Innerem sich in diesem Augenblick etwas ... zu regen begann!
Seven wich das Blut aus dem Kopf. Für einen Moment fühlte sie sich schwerelos, einer Ohnmacht nahe. Wenn es eines letzten Beweises bedürft hätte, daß dieses Kind nichtmenschlich war, so wäre es dieser gewesen.
Wie sonst hätte das Balg eines Toten nach einer knappen Woche so sehr anwachsen können, daß sie es bereits spüren konnte ...?
Übelkeit wallte in Seven auf, kroch ihre Speiseröhre hinauf. Doch sie rührte sich nicht einmal, als es aus ihrem Mund hervorquoll und sie besudelte.
*
»Es kann nicht mehr weit sein.«
Lilith Eden hatte es sich auf dem Beifahrersitz bequem gemacht, die Füße gegen das Armaturenbrett gestemmt. Mit feinem Lächeln hatte sie während der Fahrt registriert, daß Darren Secada ein ums andere Mal verstohlen auf ihre nackten Beine geschielt hatte. So ganz kalt ließ sie ihn wohl doch nicht .
Nach dieser Geschichte in der Kirche außerhalb von Sydney, wo Lilith einmal mehr ihrem vampirischen Ich, ihrer bestienhaften Seite freien Lauf gelassen hatte, schien Darrens letztes Fünkchen Interesse an ihr erloschen gewesen zu sein. 2 Was sie getan hatte, hatte ihn zutiefst entsetzt, mehr noch: regelrecht angeekelt und abgestoßen! Und daraus hatte Darren keinen Hehl gemacht. Inzwischen schien er es zumindest soweit vergessen zu haben, daß er in Lilith auch wieder die Frau sehen konnte.
Liliths Lächeln vertiefte sich.
»Bist du sicher?« fragte Darren, ohne den Blick von der Straße zu nehmen. Links und rechts zogen sich Strauchgürtel hin, aus denen vereinzelt dürre Bäume aufragten.
»Dieser Typ aus dem Krankenhaus sagte, daß die Farm am Stadt-rand liegt. Und das ist der Stadtrand, oder?« gab Lilith zurück. Sie wies mit unbestimmter Geste zum Fenster hinaus.
»Seit einer ganzen Weile schon«, brummte Darren. Die letzten Häuser Maitlands lagen längst hinter ihnen. Die Klimaanlage fauchte ihm zwar den Schweiß aus dem Gesicht, ließ aber zugleich seine Augen brennen.
»Bieg dort rechts ab«, sagte Lilith. Sie deutete nach vorne.
»Sicher?«
Lilith nickte. »Ich habe nicht nur diesen Privatdetektiv ausgehorcht.« Sie lächelte. »Der Typ an der Rezeption in
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