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Fandorin

Fandorin

Titel: Fandorin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
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steht … Die Operation wurde durchgeführt, leider nicht übermäßig erfolgreich. Für den 1. Juni hatten die Terroristen ein Treffen in diesem Landhaus draußen in Kusminki anberaumt. Ich hatte es Ihnen gegenüber erwähnt, Sie erinnern sich? Nur waren Sie damals ganz besessen von Ihrer eigenen Theorie. Wie steht’s damit? Fündig geworden?«
    Fandorin brummte mit vollem Mund, würgte ein Stück Kremröllchen hinunter, doch Brilling zeigte schon Reue:
    »Nein, lassen Sie, es hat Zeit. Essen Sie in Ruhe. Wo war ich stehengeblieben? … Wir hatten das Landhaus umstellt. Ichverließ mich ausschließlich auf meine eigenen Petersburger Agenten, ohne die Moskauer Polizei und Gendarmerie hinzuzuziehen, da wir nicht riskieren wollten, daß die Sache vorher ruchbar wurde.« Brilling seufzte, es klang verärgert. »Das war mein Fehler, ich war übervorsichtig. Einen reibungslosen Überfall zu inszenieren, fehlte es mir einfach an Leuten. Es kam zu einer Schießerei. Zwei Agenten wurden verwundet, einer erschossen. Das werde ich mir nie verzeihen … Lebend haben wir keinen der Terroristen gefaßt, vier blieben tot liegen. Einer könnte Ihrer Beschreibung nach dieser Weißäugige sein. Wobei von den Augen kaum etwas übrig war, mit seiner letzten Kugel hat Ihr spezieller Freund sich den halben Schädel weggeputzt. Im Keller des Hauses fand sich ein Labor zur Herstellung von Höllenmaschinen, auch einiges an Dokumenten, doch wie gesagt, das meiste von den Plänen und Verbindungen des ›Asasel‹ blieb im Dunkeln. Für immer, befürchte ich. Trotzdem ist unsere Moskauer Operation von Seiten des Monarchen, des Kanzlers und des Chefs des Gendarmeriekorps als gelungen eingeschätzt worden. Ich habe Generaladjutant Misinow auch von Ihnen erzählt. Zwar sind Sie am großen Finale nicht beteiligt gewesen, haben uns aber im Laufe der Ermittlungen gute Dienste geleistet. Wenn Sie nichts dagegen haben, sollten wir die Zusammenarbeit fortsetzen. Ich nehme Sie unter meine Fittiche … Haben Sie sich gestärkt? Dann sind Sie jetzt an der Reihe. Was gibt es aus London zu berichten? Sind Sie der Beshezkaja auf die Spur gekommen? Und was zum Teufel ist mit Pyshow los? Ist er tot? Bitte schön der Reihe nach und nur nichts auslassen.«
    Im Verlaufe der Erzählung seines Chefs war Fandorin immer mehr in Neid entbrannt; seine eigenen Abenteuer, die ihn noch vor kurzem so mit Stolz erfüllt hatten, schrumpften und verblaßten in seinen Augen zusehends. Attentat aufden Thronfolger! Schießerei! Höllenmaschinen! Das Schicksal trieb mit Fandorin seine Scherze: Ruhmestaten in Aussicht stellend, hatte es ihn vom Brennpunkt des Geschehens weg auf klägliche Nebenschauplätze gelockt.
    Natürlich schilderte er Brilling seine Abenteuer trotzdem in aller Ausführlichkeit. Einzig die Umstände, derenthalben das blaue Portefeuille wieder verlorengegangen war, beließ er etwas im Vagen, errötete darüber gar ein wenig, was Brilling, der schweigend und finsteren Blickes zuhörte, gewiß nicht entging. Auf den Höhepunkt zusteuernd, wurde Fandorin wieder forscher und munterer, konnte sich etwas Theatralik nicht verkneifen.
    »Und ich habe den Mann gesehen!« triumphierte er, als er bei der Szene vor dem Petersburger Postamt angelangt war. »Ich weiß, wo sich der Inhalt des Portefeuilles befindet, wo alle Fäden der Organisation zusammenlaufen! Asasel lebt, Herr Brilling – und wir haben ihn in der Hand!«
    »Ja, wen denn, verflucht noch mal!« brüllte der Chef. »Hören Sie doch auf mit dem kindischen Versteckspiel! Wer ist der Mann? Und wo steckt er?«
    »Hier in Petersburg«, eröffnete ihm Fandorin, er kostete die Revanche aus. »Es ist ein gewisser Gerald Cunningham, Assistent jener Lady Aster, die ich wiederholt Ihrer Aufmerksamkeit empfahl.« An dieser Stelle hüstelte Fandorin delikat. »Damit klärt sich der Passus in Kokorins Testament. Schlüssig wird, warum die Beshezkaja ihre Verehrer dem Asternat gewogen machte. Und was für ein hübsches Nest sich der Rotfuchs ausgesucht hat! Prima Tarnung, nicht wahr? Arme Waisenkinder, Anstalten in der ganzen Welt, das altruistische Freifräulein, dem alle Türen offenstehen. Geschickt, kann man nicht anders sagen.«
    »Cunningham?« fragte der Chef nach, man hörte ihm die Erregungan. »Gerald Cunningham? Diesen Herrn kenne ich bestens, wir verkehren im selben Klub!« Er hob die Arme. »Fürwahr ein einnehmendes Subjekt. Daß er mit den Nihilisten in Verbindung stehen und Wirkliche Staatsräte auf dem

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