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Fandorin

Fandorin

Titel: Fandorin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
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eine Sonderkommission, aus den erfahrensten Leuten. Wir werden diesen Knoten zerschlagen, dafür sorge ich.«
    »Hohe Exzellenz, ich müßte einmal nach Moskau fahren.«
    »Wozu?«
    »Um mit Lady Aster zu sprechen. Sie selbst wird, da sie ja eher ein himmlisches, denn ein irdisches Wesen ist« – an dieser Stelle lächelte Fandorin – »über Cunninghams wahre Machenschaften kaum unterrichtet gewesen sein, doch immerhin kannte sie den Mann von Kindesbeinen an und könnte durchaus etwas Nützliches zu erzählen haben. Und das muß ja nicht auf offiziellem Weg über die Gendarmerie geschehen, nicht wahr? Ich habe das Glück, Mylady ein wenig zu kennen, sie wird sich vor mir nicht fürchten, und englisch spreche ich auch. Vielleicht ergibt sich noch irgendein neuer Anhaltspunkt? Vielleicht ist Cunninghams Vergangenheit der Schlüssel zu etwas?«
    »Selbstverständlich. Fahren Sie. Aber nicht länger als einen Tag. Und jetzt gehen Sie erst einmal schlafen, mein Adjutant wird Ihnen ein Quartier zuweisen. Morgen nehmen Sie den Abendzug nach Moskau. Wenn wir Glück haben, sind bis dahin schon die ersten Rückdepeschen aus den Botschaften da. Übermorgen früh, den 28., sind Sie in Moskau, reden mit Lady Aster, und am Abend erwarte ich Sie zurück, Sie erstatten mir umgehend Bericht. Zu jeder Tages- und Nachtzeit, verstanden?«
    »Verstanden, Hohe Exzellenz.«
     
    Ein sehr vornehmer alter Herr mit stattlichem Schnauzbart, Brillantnadel an der Krawatte, zigarrerauchend, stand im Zug von Sankt Petersburg nach Moskau auf dem Gang desErste-Klasse-Wagens und starrte mit unverblümter Neugier auf die verschlossene Tür des Coupés Nº 1.
    »Hallo, Verehrtester!« Mit rundlichem Finger winkte er den just in diesem Moment auftauchenden Kondukteur zu sich heran.
    Der kam geflogen und verbeugte sich vor dem hochrangigen Passagier. »Zu Ihren Diensten!«
    Der gnädige Herr nahm ihn mit zwei Fingern am Kragen, zog ihn zu sich heran und raunte mit Baßstimme: »Der junge Mann, der in der Nº 1 reist – was ist das für einer? Hast du eine Ahnung? Scheint noch arg jung zu sein.«
    »Wundert mich auch«, entgegnete der Kondukteur im Flüsterton. »Bekanntlich ist die Nº 1 hochprominenten Personen vorbehalten, da hat nicht mal jeder General ein Anrecht. Nur wer in dringenden Staatsangelegenheiten reist.«
    »Ist mir bekannt.« Der gnädige Herr blies einen Strahl Rauch in die Luft. »Bin selbst einmal darin gefahren, geheime Inspektionsreise nach Noworossijsk. Aber was sucht dieser Grünschnabel da? Vielleicht irgendein Junior? Reicher Nichtsnutz?«
    »Wo denken Sie hin, solche sind in Nº 1 nicht gelitten, da ist man sehr streng. Höchstens ausnahmsweise mal ein junger Großfürst. Nach dem hier hab ich mich erkundigt, aus der Passagierliste beim Herrn Zugführer war etwas zu erfahren.«
    Der Bedienstete hatte die Stimme noch mehr gesenkt.
    »Na, und?« wurde er von dem neugierigen Herrn zur Indiskretion ermuntert.
    Ein üppiges Trinkgeld vorhersehend, legte der Schaffner den Finger auf die Lippen.
    »Aus der Dritten Abteilung. Geheimdetektiv mit Sonderauftrag.«
    »Ja nun, freilich mit Sonderauftrag. Mit einem einfachemsäße er nicht in Nº 1.« Der gnädige Herr machte eine vielsagende Pause. Dann fragte er: »Was genau?«
    »Er hat sich da einquartiert und läßt sich seither nicht blicken. Ich habe ihm zweimal Tee angeboten, um zu sehen, was er macht. Sitzt über irgendwelchen Papieren und schaut nicht auf. Wir sind in Petersburg mit fünfundzwanzig Minuten Verspätung abgefahren, wie Ihnen gewiß aufgefallen sein wird. Nur seinetwegen. Es gab Anweisung zu warten, bis er kommt.«
    »Oho!« staunte der Passagier. »Hat man so was schon gehört!«
    »Kommt vor, aber äußerst selten.«
    »Und der Name stand auf der Liste nicht vermerkt?«
    »Leider nein. Weder Rang noch Name.«
     
    Unterdessen versuchte Fandorin aus den knappen, wenige Zeilen umfassenden Berichten schlau zu werden und fuhr sich nervös durch die Haare. Ein mystisches Grauen schnürte ihm die Kehle zu.
    Kurz vor Abfahrt zum Bahnhof war Misinows Adjutant in der Dienstwohnung erschienen, wo Fandorin beinahe den ganzen Tag hindurch tief und fest geschlafen hatte, und hieß ihn noch warten – die ersten drei Depeschen aus den Botschaften seien eingetroffen, man entschlüssele sie soeben. Es dauerte eine geschlagene Stunde, so daß Fandorin den Zug zu verpassen fürchtete, doch der Adjutant wußte ihn diesbezüglich zu beruhigen.
    Kaum befand sich Fandorin in dem

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