Fang schon mal ohne mich an - Phillips, C: Fang schon mal ohne mich an
seinen glänzenden Augen spiegelte sich sein aufrichtiges Gefühl für Molly.
Ihr Magen zog sich zusammen, und das hatte nichts mit ihrer kleinen Halbschwester zu tun. „Wofür war der?“, fragte sie und leckte sich die feuchten Lippen.
„Ich wollte dir Glück wünschen.“
Ihr wild klopfendes Herz spürte, dass dieser Kuss noch so viel mehr bedeutet hatte, aber daran durfte sie jetzt nicht denken. Stattdessen senkte sie den Kopf. „Ich werde es gebrauchen können“, murmelte sie, als sie die Hand auf den Türknauf legte.
„Wir treffen uns danach im Arbeitszimmer deines Vaters“, erklärte er ihr.
Sie nickte. „Wird schon schiefgehen.“ Molly drehte den Türknauf und ging hinein.
Hunter hatte Seth betreffend ein schlechtes Gefühl. Es nagte übel in seiner Magengegend. Seine jahrelange Erfahrung hatte ihn gelehrt, diesem Gefühl zu vertrauen, und jetzt sagte es ihm, dass Seth nicht davongelaufen war, weil er von seinen Emotionen übermannt worden war. Seth war weggelaufen, weil er schuldig war. Der Junge hatte irgendetwas gesehen oder gehört, das jemanden, den er sehr mochte, in Schwierigkeiten bringen konnte, und jetzt hatte er kurz vor der Anhörung Panik bekommen und war weggelaufen.
Welche andere Erklärung hätte es sonst für sein Verschwinden gegeben? Während er in dem engen Büro, das seit mehr als einer Woche zu seinem Zuhause geworden war, auf und ab ging, zerbrach sich Hunter den Kopf über mögliche Gründe, die einen fünfzehnjährigen Teenager dazu bewegen konnten, mitten in einer Krise wie dieser einfach zu verschwinden.
Ihm fiel verflixt noch einmal nur noch eine weitere Begründung ein, die ohnehin schon auf seiner mentalen Merkliste stand. Seths Mutter war am Boden zerstört, und die einzige Unterstützung, die sie hatte – der General – war wegen Mordes angeklagt. Sie brauchte ihren Sohn, und Seth war schlau genug, das zu wissen. Es war schwierig in der Schule? Die Schule war schwierig für jeden Teenager, und Hunter war sicher, dass ein reifes Kind wie Seth damit klarkam.
Sein Vater war tot? Ein Grund mehr, dazubleiben und zuzusehen, dass die Gerechtigkeit am Ende siegte. Seth hatte klargemacht, dass er nicht an die Schuld des Generals glaubte. Er wollte, dass Frank freigesprochen und der echte Täter gefunden wurde.
Als Hunter sich vorstellte, wie er in Seths Alter gewesen war, wusste er, dass er herumgeschnüffelt hätte, um seine eigenen Antworten zu finden. Es sei denn, er hätte schon etwas gewusst.
Das war die einzige Möglichkeit, die einen Sinn ergab. Hunter war sich nicht sicher, was Seth über den Mord wusste, aber sein Bauchgefühl sagte ihm, dass sie jetzt an einem Wendepunkt in diesem Mordfall angekommen waren.
Was auch immer Seth wusste, konnte das Kräftespiel dieser Familie für immer verändern.
16. KAPITEL
M olly dachte, sie hätte sich schon daran gewöhnt, mit einem Teenager zusammenzuleben, aber jedes Mal, wenn sie Jessies Zimmer betrat, kam sie sich vor wie in einer anderen Welt. Die Wände waren mit schwarz-weißen Spiralen und grell pinkfarbenen Aufklebern verziert. An einer Pinnwand aus Kork hingen Fotos ihrer Freunde, Poster von Bands und Kinofilmen. Auf dem Tisch stand ein Spiegel, der von mehr Schminkutensilien umgeben war, als Edna je in ihrem Leben besessen hatte. Und aus Jessies iPod in der Zimmerecke tönte laute Musik. Jessie lag auf ihrem Bett und starrte die Wand an.
Sie hatte noch nicht einmal mitbekommen, dass sie Be such hatte.
Molly setzte sich auf einen Stuhl in der Nähe des Tisches, um ihr nicht zu sehr auf die Pelle zu rücken, und zog ihn in die Nähe des Bettes. Sie holte tief Luft und tippte Jessie auf die Schulter.
„Was?“ Ihre Halbschwester schreckte auf, drehte sich um und blickte Molly ins Gesicht. „Jesus, ich hab nicht mal gehört, dass du hereingekommen bist.“
„Das überrascht mich nicht. Kann ich die Musik ein biss chen leiser machen?“ Molly deutete auf die Lautsprecher des iPods.
Jessie nickte. „Ja. Aber das heißt nicht, dass ich über Seth sprechen werde.“
„Wie kommst du darauf, dass ich mit dir über Seth spre chen will?“ Sie war zwar keine Psychologin, aber sie war keineswegs abgeneigt, die Psychologie ein wenig zu nutzen.
Jessie richtete sich auf und lehnte sich gegen ihre Kissen, wobei sie die Arme um ihre Taille schlang. „Was willst du dann hier?“
„Dein bester Freund ist verschwunden. Ich bin sicher, dass du dir Sorgen machst, und ich wollte mal nach dir sehen. Das ist alles.
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