Fantasien der Nacht
worden sein sollte.
Das vertraute Gefühl, das er in ihr weckte, schien seinen Ursprung weniger in ihrem Kopf als vielmehr in ihrem Her zen zu haben, in ihrer Seele. Genau wie das schmerzhafte Verlangen, ihn wiederzusehen. Sie sehnte sich so sehr nach ihm, dass es wehtat. Wie konnten diese Gefühle falsch sein, bloß die Folge eines Banns, unter dem sie stand?
„Tamara?“
Aufgeschreckt durch die leise Stimme, die in ihre Gedanken drang, schaute sie hastig auf. Sie blinzelte die brennende Feuchtigkeit hinfort, die sich in ihren Augen sammelte, erhob sich und schenkte Hilary Garner ein gezwungenes Lächeln.
Hilary lächelte zurück, auch wenn sich ihre schokoladenbraunen Augen verengten. „Du siehst aus wie ein Schluck Wasser in der Kurve“, scherzte sie. „Und du hast dich in letzter Zeit ziemlich rargemacht, Tam. Du warst nicht einmal zum Mittagessen draußen. Ich habe dich vermisst.“
Tamara seufzte, außerstande, dem anderen Mädchen in die Augen zu schauen. Hilary war die engste Vertraute, die sie abgesehen von Daniel und Curtis hatte. Früher hatten sie häufig etwas miteinander unternommen. Tamara wurde bewusst, dass sie in letzter Zeit an niemanden anderes gedacht hatte als an Eric. „Das war gewiss keine Absicht“, sagte sie und zuckte mit den Schultern. „Ich habe viel um die Ohren.“
Eine zärtliche Hand, von der Farbe eines Rehs und ebenso grazil, legte sich auf Tamaras Schulter. „Willst du darüber reden?“
Neue Tränen stiegen ihr in die Augen, und ihre Kehle verengte sich schmerzhaft. „Ich kann nicht.“
Hilary nickte. „Wenn du nicht kannst, dann eben nicht. Allerdings gehst du heute Abend nicht nach Hause in dieses Mausoleum, um die ganze Nacht vor dich hin zu brüten, es sei denn über meine Leiche.“
Die leichte Häme in ihrer Stimme war tröstlich. Tamara sah ihr in die Augen und war dankbar, dass sie nicht weiter nachhakte. „Was hast du denn im Sinn?“
„Nichts Großartiges. Du siehst nicht aus, als hättest du Lust auf so was. Wie wäre es mit einem netten, ruhigen Abendessen irgendwo? Das wird dich auf andere Gedanken bringen, ganz gleich, was dich beschäftigt.“
Tamara nickte, während sie mit einem Seufzer alle Luft aus ihren Lungen entließ. Es war eine Erleichterung, ihre Heimkehr hinauszögern zu können, ebenso wie das damit verbundene Umherwandern in dem leeren Haus, während Daniel und Curtis entweder im für sie gesperrten Kellerlabor über ihrem neuesten „Durchbruch“ brüteten oder unterwegs waren, um die Nacht über Eric nachzuspionieren.
Daniel erschien in der Tür, und Tamara warf ihm ein Lächeln zu, das dieses Mal sogar echt war. „Ich gehe mit Hilary einen Happen essen“, verkündete sie. „Ich komme später nach Hause, und falls du deine Zeit damit verplemperst, dir Sorgen um mich zu machen, werde ich verdammt wütend auf dich sein.“
Er runzelte die Stirn, bat sie jedoch nicht, nicht zu gehen. „Versprichst du mir, dass du danach sofort nach Hause kommst?“
„Ja, Daniel“, sagte sie mit übertriebener Unterwürfigkeit.
Er kramte in seiner Tasche und holte einen Schlüsselbund daraus hervor. „Nimm den Cadillac. Ich will nicht, dass du mit deiner alten Karre irgendwo liegen bleibst.“
„Und wenn du mit dem Käfer irgendwo am Straßenrand liegen bleibst?“
„Ich sorge dafür, dass Curtis hinter mir herfährt.“ Er hielt die Schlüssel in der ausgestreckten Hand, und sie trat vor, um sie an sich zu nehmen. Sie ließ sie in ihre Handtasche fallen, holte ihre eigenen hervor und reichte sie Daniel.
Er warf ihr einen langen Blick zu, und es hatte den Anschein, als wollte er etwas sagen, was er dann aber doch nicht tat. Stattdessen verabschiedete er sich mit einem Seufzer, der ihr verriet, dass es ihm ganz und gar nicht gefiel, dass sie heute Nacht noch ausging.
Gleichwohl, es war die Sache wert. Drei wundervolle Stunden lang ließen sie und Hilary sich jeden Gang schmecken, vom riesigen Salat und der heißen Suppe bis hin zu den köstlichen Steaks und den gebackenen Kartoffeln mit jungen Karotten als Beilage; es gab sogar Nachtisch – Kirschkäsekuchen.
Tamara bestellte Wein zum Essen. Für gewöhnlich trank sie keinen Alkohol, doch sie hegte die Hoffnung, dass ein paar Drinks ihr vielleicht dabei helfen könnten, Schlaf zu finden, wenn sie nach Hause kam. Sie erlaubte dem Kellner, ihr Weinglas dreimal nachzufüllen.
Als das Essen schließlich vorüber war und Hilary als Digestif einen Seagram’s 7 mit Zitronenlimonade
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