Fantastik AG
sich der Professor an der
Wand abstützen. War er tatsächlich schon so senil? War es bereits so weit mit
ihm gekommen, dass er Dinge in die Wirklichkeit hineininterpretierte ?
»Ich kann Sie gut verstehen«, sagte der Student sanft. »Nachdem
das Institut aufgelöst worden war, sind Sie in ein tiefes Loch gefallen. Da kam
Ihnen die gröÃte Entdeckung in der Geschichte der Phantastik gerade recht. Aber
das war Wunschdenken.«
Theodor berührte den Dozenten leicht am Arm.
»Kommen Sie. Wir sollten das hier vergessen und nach Hause gehen.
Wenn wir der Universität alles vernünftig erklären, kommen wir vielleicht sogar
ohne Strafanzeige davon.«
Er schulterte den Rucksack und ging zur Tür.
»Professor?«
»Hm?« Der Dozent blickte auf.
»Wenn Sie dann schon mal die Tür aufschlieÃen könnten â¦Â«
Es war eine erstaunlich massive Stahltür, wie dem Studenten jetzt
zum ersten Mal auffiel. Viel eher geeignet für ein Gefängnis als für einen
Hörsaal, dachte er.
Ein abscheulicher Gedanke kam ihm.
»Sie haben doch den Schlüssel?«
»Was?«, fragte der Professor,
sich für einen Moment aus den Niederungen der Selbstzerknirschung erhebend,
»Ach so, ja.«
Theodor atmete auf.
»Aber er nützt uns natürlich nichts«, fügte der Professor hinzu.
Der Student erstarrte. »Wie meinen Sie das: âºEr nützt uns natürlich
nichts�«
»Vielleicht wissen Sie, dass dieser Raum während des Ersten
Weltkrieges kurzfristig als Gefängnis für politisch verdächtige Dozenten
benutzt wurde. Offensichtlich hat man es seit damals nicht für nötig befunden,
die Tür durch ein passenderes Modell zu ersetzen.«
»Das bedeutet für uns â¦Â«, begann Theodor und bemerkte im selben
Augenblick, was der Professor meinte.
»Oh nein«, sagte er.
»So ist es«, bestätigte Professor Welk.
Die Tür hatte auf dieser Seite kein Schloss.
Es kam noch schlimmer.
Das Licht ging aus.
»Was ist jetzt passiert?«, fragte der Professor.
»Das Licht ist ausgegangen«, antwortete der Student tatsachengemäÃ.
Er tastete in der Dunkelheit des fensterlosen Hörsaals die Wände ab,
fand den Schalter und betätigte ihn. Die Dunkelheit blieb.
In einem anderen Raum schloss der Hausmeister den
Schaltkasten, nachdem er den Strom für Raum 043a abgestellt hatte. Es war
schlieÃlich nicht ersichtlich, wozu man Strom in einem Hörsaal benötigte, in
dem keine Vorlesungen mehr gehalten wurden.
Einige Tage und Nächte darauf, in der vollständigen
Finsternis war es unmöglich zu sagen, wie viele genau, seufzte der Student resigniert:
»Es hat keinen Zweck. So kommen wir hier nicht raus.«
Er warf das Brecheisen auf den Boden, wo es klirrend liegen blieb.
Stundenlang hatte er versucht, damit ein Loch in die Wand zu meiÃeln, ohne
jeden Erfolg.
Müde und entkräftet setzte er sich mit dem Rücken an die Mauer und
vergrub sein Gesicht in den Händen.
Sein Magen knurrte, die Zunge klebte ihm trocken am Gaumen.
Warum hatte eigentlich keiner von ihnen daran gedacht, Proviant
mitzunehmen?
In der Dunkelheit hörte Theodor die Stimme des Professors murmeln:
» â¦zu einem solchen Fehlurteil verleiten lassen, wo doch nach dem Stand der
bisherigen Forschung ⦠und auch in einem Beitrag im halbjährlich erscheinenden
âºPhantasticusâ¹, Fachblatt für Phantastiker (in der Ausgabe vom Juni 1963,
wenn ich nicht irre), kommen Zinngruber/Schnakenbruch zu dem eindeutigen
Schluss, dass der physische Ãbergang de facto unmöglich â¦Â«
Offenbar hatte Professor Welk sein wissenschaftliches Versagen noch
immer nicht verwunden.
»Professor«, warf Theodor ein,
»Sie sind sich schon darüber im Klaren, dass wir hier unten verhungern werden,
oder?«
Er schluckte trocken und
korrigierte sich: »Das heiÃt, eigentlich verdursten wir natürlich
vorher.«
Der Professor unterbrach seinen Monolog.
»Was sagten Sie?«
»Ver-durs-ten«, erklärte der Student geduldig. »Wie Sie vielleicht wissen, sollten Menschen regelmäÃig
Flüssigkeit zu sich nehmen. Andernfalls gibt es da diese unangenehme Sache
namens Tod . T-o-d«, buchstabierte er zur Sicherheit.
Nach einer kurzen Pause antwortete Professor Welks Stimme aus der
Finsternis:
»Ach so, ja.«
Er sagte das im Tonfall von jemandem, der eine
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