Fantastik AG
Leben in der falschen Welt. Pathos, nickte sein Schatten.
»Alles hat seinen Preis. So stehen die Dinge nun mal.«
»Aber so sollte es nicht sein.«
»Es ist aber so.«
»Sie sind nur ein Schatten«, sagte der Professor. »Sie haben
keine Macht. Sie werden tun, was ich tue.«
»Oh, werde ich das?«, flüsterte der Schatten. »Wie wäre es, wenn
wir das mal umkehren?«
Er machte einige Schritte: der Professor folgte ihm willenlos,
taumelnd wie eine an Schnüren geführte Marionette.
»He, das sieht lustig aus«, rief Theodors Schatten, vollführte
mehrere Bewegungen, und der Student ahmte sie nach, unfähig sich zu
widersetzen.
»Hören Sie auf mit diesem unwürdigen Unsinn«, sagte der Professor,
der Willkür seines Schattens ausgeliefert.
»Och, jetzt schon?«, rief Theodors Schatten. »Aber das macht so
viel SpaÃ!«
Er zwang den Studenten, sich selbst ein paar schallende Ohrfeigen zu
geben.
»Der Professor hat recht«, sagte der Schatten des Dozenten. »Wie
immer. Wir haben später noch genügend Zeit, um uns zu amüsieren.«
Er schnippte mit den Schattenfingern.
»Wachen! Nehmt sie fest.«
Ãberwacher strömten in die Halle.
Theodor hörte ihre wispernden, knisternden Stimmen, die wie
wimmelnde Insektenschwärme in seine Gehirnwindungen krochen, als sich die
Ãberwacher zu einer Mauer aus Dunkelheit um ihn und den Professor
zusammenschlossen.
Dann wurde alles schwarz.
Theodor Welk hing über
pechschwarzer Finsternis an einem roten, organisch wirkenden Abhang, durch den
regelmäÃig ein starkes Beben ging. Hunderte, eher Tausende phantastischer Wesen
aller Arten kämpften wie der Student darum, nicht in die Dunkelheit zu stürzen.
Neben ihm klammerte sich ein Wichtel verzweifelt an einen Vorsprung, etwas
weiter entfernt bemühte sich ein Lindwurm vergeblich, nach oben zu klettern.
Auf der anderen Seite versuchte eine Seilschaft Zwerge das Gleiche. Elfen,
Trolle, Irrlichter, Wassermänner, Waldschrate, Moosnymphen, Erdgeister, selbst
Bergriesen und Eisdrachen, sie alle kämpften darum, nicht abzustürzen. Hin und
wieder verlor jemand diesen Kampf und fiel in bodenlose Dunkelheit.
Endlich konnte auch der Student sich nicht mehr halten. Starr vor
Entsetzen stürzte er in den Abgrund.
Als Theodor wieder erwachte, war das Erste, was er
bemerkte, ein heller Lichtblitz.
Das Zweite, dass dieser Lichtblitz aus dem Fotoapparat eines
asiatisch aussehenden Mannes kam, der etwa anderthalb Meter vor ihm stand und
sehr touristisch wirkte.
Ein Japaner, dachte Theodor. Oder vielleicht auch ein Koreaner oder
Chinese, jedenfalls jemand aus dem asiatischen Raum.
Und dann: Moment mal, wo bin ich hier?
Als Drittes bemerkte er, dass er aufrecht auf beiden Beinen stand â
was zumindest ungewöhnlich ist, wenn man gerade aus einem Albtraum erwacht â
und einen schweren Gegenstand mit den Händen über seinen Kopf erhoben hielt.
Er versuchte seine Arme zu bewegen und musste feststellen, dass er
keine Kontrolle über sie besaÃ.
War er gefesselt?
Er probierte, den Kopf zu drehen, aber auch das war unmöglich. Sein
Hals war steif und unbeweglich, wie aus Stahl.
Und plötzlich sah er das Monster.
Es stand direkt vor ihm, zwischen ihm und dem Touristen.
Die Augen des Monsters waren weit aufgerissen. Aus seinem Maul
ragten hässliche gelbe Hauer. Es trug einen Lendenschurz aus Fell und eine
Halskette aus Schrumpfköpfen und holte mit einer riesigen Knochenkeule zum
Schlag aus.
Theodor wollte schreien, aber auch seine Stimmbänder gehorchten ihm
nicht.
Und dann sah er, dass es eine Spiegelung war.
Einen halben Meter vom Studenten entfernt befand sich eine Glasscheibe,
und darin spiegelte sich das Monster.
Deswegen war es auch so durchscheinend.
Aber wenn das da vor ihm nur eine Spiegelung war â wo war dann â¦
Oh nein, dachte der Student, als er den einzig möglichen Schluss
zog.
Der Tourist vor der Scheibe drückte auf einen Knopf und eine Stimme
berichtete:
»Der Grauenvolle Steintroll gehört zu den aggressivsten und
skrupellosesten Arten der Fernen Länder. Diese reiÃende Bestie ist alles andere
als integrationsfähig, und darauf ist sie auch noch stolz. Wo immer sich eine
Gelegenheit bietet, Angst und Schrecken zu verbreiten â¦Â«
Theodor lieà seinen Blick schweifen â zumindest die Augen konnte er
bewegen.
Er war nicht der
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