Fantastik AG
Davor befand sich ein Podest,
ebenfalls aus Marmor, auf dem ein gläserner, länglicher Kasten ruhte.
Sonst war die Halle leer.
»Tinorius hatte in allen Einzelheiten recht«, sagte der Professor
und zeigte auf den Rahmen. »Das muss das Dimensionstor sein.«
»Und was ist in dem Glasbehälter?«
Sie gingen auf das Podest zu, ihre Schritte hallten unnatürlich laut
durch den Raum.
In dem gläsernen Behälter (der Student vermied es, das Wort Sarg zu denken) lag eine Frau, die zu schlafen schien.
Ihre Haut war von einer ungewöhnlichen Blässe, fast weiÃ, und sie trug einen
schmalen Stirnreif, der mit einem groÃen Rubin verziert war.
»Ist sie das?«, flüsterte der Student.
»Ja«, antwortete Professor Welk.
»Das ist Königin Hymnia.«
Theodor drehte sich um. Seit sie die Halle betreten hatten, hatte er
das Gefühl, als verfolge ihn etwas. Aber da war nichts, nur sein eigener
Schatten.
Moment, dachte Theodor, mein Schatten?
»Hallo«, sagte sein Schatten, »lange nicht gesehen.«
»Faszinierend«, sagte Professor Welk, »autonom
agierende Schatten.«
»Faszinierend«, echote sein Schatten, »autonom agierende
Körper.«
»Professor«, sagte der Student, »ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie
damit aufhören könnten, jede unangenehme oder lebensbedrohliche Situation faszinierend zu finden.«
»Eine wirklich nervtötende Angewohnheit«, sekundierte sein
Schatten.
»Wenn ich mich nicht irre«, sagte Professor Welk zu dem Studenten,
»haben wir den Aufsichtsrat gefunden.«
»Wenn ich mich nicht irre«, wiederholte
der Professorenschatten, jede Bewegung des echten Dozenten nachahmend, »haben wir den Aufsichtsrat gefunden.«
»Hören Sie auf damit«, sagte der
Professor, »das ist kindisch.«
»Hören Sie damit auf. Das ist kindisch.«
»Oh, Mann«, sagte Theodor.
»Oh, Mann«, wiederholte sein Schatten.
»Fang du nicht auch noch damit an!«
»Fang du nicht auch noch damit an!«
»Das beginnt mir auf die Nerven zu gehen.«
»Das beginnt mir auf die Nerven zu
gehen.«
»Wir werden dem ein Ende
bereiten«, sagte Professor Welk.
»Oh nein. Wir werden dem ein Ende
bereiten.«
Der Dozent trat vor das ovale, schwarz pulsierende Portal.
»Herr Welk«, sagte er, »wir müssen einen Weg finden, das Tor zu
schlieÃen.«
Sein Schatten lachte.
»Sie können die Geschichte nicht aufhalten«, sagte er. »Sie
können sich nicht gegen die Notwendigkeit stellen.«
»Sind Sie sich dessen bewusst, welche Konsequenzen Ihr Handeln nach
sich ziehen wird?«, fragte der Professor.
»Durchaus«, entgegnete sein Schatten. »Und wir sind gerne bereit,
sie in Kauf zu nehmen.«
»Dann beantworten Sie mir eine Frage: Warum tun Sie das alles?«
»Aus rationalen Gründen«, sagte der Schattenprofessor. »Ich frage
Sie: Welche Existenzberechtigung hatten die Fernen Länder jemals? All die
Elfen und Wichtel und die Trolle und Vergessenen Tempel und der ganze Blödsinn: Wozu? Alles brachliegendes Material. Es war an der
Zeit, dass sich jemand der Sache annimmt. Dass jemand das wirtschaftliche
Potenzial erkennt. Phantasie um der Phantasie willen? Ich bitte Sie. In
welchem Jahrtausend leben wir denn? Intersphärischer Tourismus ist die
Zukunft.«
»Wenn es denn eine gäbe«, warf der Professor ein.
»Und wenn nicht. Was sich nicht als nützlich erweist, ist wert
unterzugehen. Wenn das auf das Universum zutrifft: Mag es zerstört werden. Wir
betreiben Evolution auf höchster Ebene. Was sich nicht auf dem Markt
durchsetzt, wird aussortiert.«
»Dann wird am Ende das Nichts übrig bleiben.«
»Wenn es das ist, was unsere Kunden wollen: Sollen Sie es
bekommen. Solange sie dafür bezahlen.«
»Sie sind wahnsinnig«, diagnostizierte Professor Welk.
»Nein. Wir denken absolut vernünftig. Wir betreiben ökonomische
Realpolitik, erkennen kausale Strukturen. Der Wahnsinn ist allein auf Ihrer
Seite.«
»Ihre Kausalität ist eine scheinheilige Rechtfertigung der
Tyrannei.«
»Ihre Phantastik entbehrt jeglicher Rechtfertigung.«
»Darum ist sie frei.«
»Freiheit ist eine Illusion.«
»Das ist sie nicht. Aber Sie bewerben die Illusion als Freiheit, um
Unfreiheit zu verkaufen.«
Meine Güte, dachte der Student, fehlt nur noch: Es gibt kein
richtiges
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