Fantastik AG
schön. Dann sehen wir uns den Drachen mal näher an.«
Der Drache lag der Länge nach hingestreckt auf dem Boden
der Halle. Sein Kopf war bis auf die verkohlten Schädelknochen verbrannt.
Eine schwarze, dicke Flüssigkeit tropfte an zahlreichen Stellen aus
dem Körper des Ungetüms.
»Mir fällt da gerade diese Sache mit dem unverwundbar machenden Bad
im Drachenblut ein«, sagte Theodor. »Ich meine, es ist zwar ein wenig
unhygienisch, aber â¦Â«
»In diesem Fall würde ich Ihnen nicht allein aus hygienischen
Rücksichten dringend davon abraten«, entgegnete Professor Welk. »Sagt Ihnen
der Name âºHarmir, der Einarmigeâ¹ etwas?
»Sollte er?«
»Nun, wir haben es hier mit einem GroÃen
Gebirgslindwurm zu tun, und Harmir beschreibt in seinen Tagebüchern das
Blut dieser Drachenart als âºgar von wenig der Haut
schmeychellnder Art, vielmehr der schröcklichen Seure gleychend⹠. Um
diese nützliche Information niederschreiben zu können, musste er übrigens von
Links- auf Rechtshänder umlernen.«
»Wups«, sagte Theodor und trat einen Schritt von dem Drachen
zurück. »Gut zu wissen.«
»Da sehen Sie, dass mangelnde phantastische Bildung im Extremfall
zum Verlust eines oder mehrerer Körperteile führen kann.«
»In Ihren Vorlesungen habe ich diese Behauptung immer für leicht
übertrieben gehalten.«
Der Professor zwirbelte nachdenklich seinen Gnomenbart.
»Obwohl ich mir nicht sicher bin, ob wir uns hier noch auf genuin
phantastischem Gebiet bewegen«, sagte er zweifelnd.
»Was meinen Sie?«
»Nun ja, auf den ersten Blick sieht der Drache wie ein GroÃer
Gebirgslindwurm aus, aber einiges spricht auch gegen diese Einordnung.« Der
Professor erschauerte, als er an das Schattenwesen aus seiner magischen Vision
dachte. »Vielleicht ist es eine Mutation.«
»Eine Mutation, die bei dem Versuch, Feuer zu speien, den eigenen
Kopf anzündet? Scheint kein besonders überlebensfähiges Konzept der Evolution
zu sein.«
»Seine intellektuellen Defizite waren ebenfalls merkwürdig. Der
GroÃe Gebirgslindwurm gilt sonst als ausgesprochen intelligent.«
»Dann war das hier definitiv kein GroÃer Gebirgslindwurm. Vielleicht ist ja sein Gehirn explodiert, als
er über Ihren Lösungsvorschlag für das Rätsel nachdachte. Ist Ihnen
übrigens auch aufgefallen, dass es hier nach verbranntem Kunststoff riecht?«
»Hm.«
Der Professor fuhr mit der Hand über den schuppigen Leib des
Drachen. »Fassen Sie ihn mal an.«
Theodor berührte vorsichtig die Drachenhaut.
»Gummi? Das Biest besteht wirklich aus Gummi?«
»Zumindest aus etwas sehr Ãhnlichem.«
Der Professor ging um den Drachen herum und blieb vor dem verkohlten
Schädel stehen. »Stahl«, sagte er, und deutete auf die entblöÃten Kiefer.
»Das sind keine Knochen, sondern Stahlträger.«
Er bückte sich und tauchte die Fingerspitze in eine der schwarzen
Lachen.
»Und wenn ich mich nicht sehr täusche, ist das hier kein Blut,
sondern â¦Â«
Er roch prüfend an der dicken Flüssigkeit.
»Ãl.«
Theodor blickte seinen Dozenten fasziniert an. Er konnte sich nicht
ganz von der Vorstellung befreien, dass der Professor unmittelbar davor stand,
sich für den Namen Hieronymus Neunfinger zu
empfehlen.
»Dann war das ⦠eine Maschine?«, fragte er ungläubig.
»So sieht es aus. Und ich weià beim besten Willen nicht, wer in den
Fernen Ländern etwas Derartiges konstruieren würde.«
In diesem Moment begann sich der Drache aufzulösen. Zuerst schmolz
seine grüne, schuppige Haut und klatschte in zähen Klumpen auf den Boden. Auch
sein Metallskelett verflüssigte sich.
»Was passiert jetzt?«, fragte der Student.
»Ich habe wirklich nicht die geringste Ahnung«, antwortete der
Professor. »Das ist wieder etwas, das eigentlich nicht passieren sollte.
Jedenfalls nicht bei gewöhnlichen Drachen.«
Die Drachensubstanz floss auf dem Boden zusammen und bildete groÃe
Lachen, die wie tiefschwarzes Quecksilber aussahen.
»Ist das Magie?«, fragte Theodor.
»Eher das Gegenteil. Kommen Sie dem Zeug nicht zu nahe.«
Die einzelnen Lachen flossen zu
einer einzigen zusammen, die schnell kleiner wurde. Plötzlich bildeten sich
Formen in der schwarzen Flüssigkeit, etwas erhob sich aus ihr, eine
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