Fantastik AG

…«
    Â»Größer als wer?«, schnaubte der Gnom.
    Â»Na ja, ›Baumeslänge messend‹ – ich meine, es gibt auch kleine
Bäume, Zierahorn oder Bonsai, oder …«
    Â»Ich bin siebzig Meter groß, du kümmerlicher Wurm!«
    Â»Ã„hm, ja«, sagte der Student und sah auf Homur hinab, der sich vor
ihm aufgebaut hatte und Alkohol ausdünstete. »Was ist mit den restlichen 68 ¾
Metern passiert?«
    An dieser Stelle erlitt Homur, der Vormals Wirklich Sehr Große Riese
einen Nervenzusammenbruch.
    Als er sich wieder einigermaßen erholte hatte, erzählte er,
gelegentlich von herzergreifenden Seufzern unterbrochen, die kurze Geschichte
seines jähen gesellschaftlichen Abstiegs.
    Er war vor ein paar Tagen aus dem Gebirge gekommen, in der Absicht,
das eine oder andere Dorf zu plündern und ein bisschen Angst und Schrecken zu
verbreiten (was seiner Vorstellung von kurzweiliger Belustigung entsprach),
hatte sich in einem Wald zum Schlafen hingelegt und war als Gnom aufgewacht.
    Zunächst hatte er noch geglaubt, dass nicht er kleiner, sondern die
Welt an sich plötzlich größer geworden war.
    Diese Theorie hatte er mit einem Bauern zu diskutieren versucht, der
gerade mit seiner Kuhherde vorbeigekommen war, obwohl diskutieren in diesem Zusammenhang vielleicht nicht ganz das richtige Wort ist.
    Der Bauer war sehr überrascht gewesen, als ihn plötzlich ein
kleinwüchsiger cholerischer Gnom angefallen und beim Kragen gepackt, ihn
durchgeschüttelt und dabei mit krächzender Stimme unablässig wiederholt hatte:
»Jetzt gib schon zu, dass ich in Wirklichkeit größer bin als du, du
geschrumpfte Plattwanze!«
    Nachdem er sich mithilfe seines Knechts befreit hatte, hatte ihn der
Bauer übellaunig gefragt, wer er überhaupt sei und was er von ihm wolle.
    Was er wolle?, hatte Homur entgegnet, was er wolle? Er sei Homur,
der Riese, und diese Tatsache solle die Welt verdammt noch mal zur Kenntnis
nehmen.
    Da hatte sich der Blick des Bauern plötzlich verändert.
    Â»Moment mal«, hatte er gesagt, »hab ich dich nicht schon mal
gesehen? Warst du etwa dieser Riese, der im letzten Winter unser Dorf
verwüstet hat?«
    Â»Ah!«, hatte Homur ausgerufen, »endlich begreift er es! Ja!
Ich bin Homur, der Furchterregende Riese, der Ungeheure Verwüster von Dörfern,
der …«
    Â»Und hast du nicht auch«, unterbrach ihn der Bauer und umfasste
den Knüppel, mit dem er die Kühe antrieb, fester, »das Dach meiner Scheune
eingetreten und die Hälfte meines Viehs aufgefressen?«
    Â»An solche Details erinnere ich mich zwar nicht, aber das hört sich
ganz nach mir an«, antwortete Homur stolz.
    Der Bauer nickte seinem Knecht zu, der sich, ebenfalls mit einem Knüppel
bewaffnet, hinter Homur aufgebaut hatte.
    Â»Was für ein glücklicher Zufall«, sagte er, »dass wir uns unter
diesen Umständen wiedertreffen …«
    Danach hatte Homur seine alkoholische Odyssee begonnen,
die schließlich in dem bereits bekannten Straßengraben ihr Ende gefunden hatte.
    Â»Ich würde gerne etwas ausprobieren«, sagte Professor Welk und
vollführte eine seiner Zaubergesten. Magie knisterte.
    Die Farbe
seiner Augen veränderte sich. Es sah aus, als wären ihm zwei eisblaue
Edelsteine in die Augenhöhlen gesetzt worden. Professor Welk musterte den
ehemaligen Riesen eindringlich mit seinem magisch modifizierten Blick, dann
trat er einige Schritte zurück und legte den Kopf in den Nacken, als betrachte
er etwas sehr Großes und Hohes unmittelbar vor sich.
    Er machte eine weitere Geste und seine Augen nahmen wieder ihre alte
Farbe an.
    Â»In der Tat, bemerkenswert«, murmelte er.
    Â»Hm, hm«, fügte er hinzu, verschränkte die Arme auf dem Rücken und
ging einige Male um den Gnom herum.
    Â»Wie fühlen Sie sich?«
    Â»Miserabel«, stellte Homur trocken und den Tatsachen entsprechend
fest.
    Â»Ich meine, haben Sie in letzter Zeit irgendwelche … besonderen
Beschwerden?«
    Â»Bevor ich betrunken bin und nachher. Währenddessen geht es.«
    Â»Ich will offen zu Ihnen sein«, sagte Professor Welk, »Sie leiden
an magisch-physiomorphem Vampirismus.«
    Â»Aha«, sagte Homur, »gut zu wissen.«
    Â»Er ist ein Vampir?«, fragte Theodor.
    Â»Nein, umgekehrt. Er ist nicht der aktive, sondern der passive Teil
einer vampirischen Beziehung.«
    Â»Das heißt …