Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fantastik AG

Fantastik AG

Titel: Fantastik AG Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Oldenburg
Vom Netzwerk:
erschienen, und es zeigte
sich, dass der Professor so ziemlich die gesamte Biografie des Umtriebigen Flussgottes auswendig kannte, weil
er als Student mal eine Seminararbeit über ihn geschrieben hatte. Sneifnifflur
ließ sich nicht lange bitten und erzählte noch Hunderte oder eher Tausende von
Anekdoten aus seinem bewegten Leben, die den Geschichtsschreibern entgangen
waren.
    Alle hatten sich prächtig amüsiert. Alle bis auf Theodor.
    Irgendwann hatte der Flussgott – eine imposante Erscheinung,
muskulös, mit wallender Seetangmähne und ehrfurchtgebietenden, buschigen
Augenbrauen – dem Studenten jovial auf die Schulter geklopft und gesagt:
»Warum so schlecht gelaunt, junger Freund? Aber ich kenne das, die Jugend,
ich war früher auch so: Immer nur im eigenen Sumpf rumhocken, dumpf grübeln,
Unmut ausbrüten. Du musst mehr rumkommen, sonst versumpfst du, was von der Welt
sehen, dann gibt sich das!«
    Dabei hatte er die füllige Fischerin neckisch gekitzelt, worauf die
wieder gekichert hatte.
    Glücklicherweise war Theodor zu diesem Zeitpunkt schon so wütend
gewesen, dass ihm keine passende Antwort eingefallen war, sonst hätte er sicher
etwas sehr Unverschämtes gesagt – was im Umgang mit Göttern selten ratsam ist.
    Ein großer Ast knackte im Feuer.
    Â»Ich kann es immer noch kaum glauben«, schwärmte der Professor,
»echte Undinen! Wunderbare Wesen, so natürlich und auf reizende Weise
unschuldig.«
    Â»Die ganze Situation war natürlich und auf reizende Weise
unschuldig«, knurrte der Student, »bis gewisse Personen aufgetaucht sind und
mit ihrem auf provozierende Weise unnatürlichen Verhalten interveniert haben.«
    Â»Junger Mann«, sagte tadelnd der Professor, »wir sind hier nicht
zum Spaß. Dies ist eine seriöse Forschungsreise. Erstes methodisches Gebot der
phantastischen Forschung ist sachliche Distanz zum Objekt.«
    Â»Alter Mann«, entgegnete der Student, »ich bin sicher, Sie würden
Spaß nicht mal erkennen, wenn er fünfhundert Meter hoch wäre, grellrot blinkte
und Ihnen ins Gesicht spränge. Und was die sachliche Distanz zum Objekt
angeht: Ich glaube, dahinter verbirgt sich einfach nur eine neurotische Angst
vor der Realität. Vor der Realität und vor Frauen.«
    Â»Angst vor Frauen? Das ist doch lächerlich. Ich habe eine große
Monografie über Schwanenjungfern verfasst, die internationales Aufsehen erregt
hat.«
    Der Student schnaubte ironisch.
    Â»Was?«, fragte der Professor.
    Â»Nichts. Überhaupt nichts.«
    Â»Finden Sie irgendetwas ungewöhnlich Amüsantes an
Schwanenjungfern?«
    Â»Nein. Gar nichts. Im Gegenteil.«
    Sie schwiegen. Ein Waldkauz rief klagend.
    Â»Sie wissen, was Undinen mit ihren Liebhabern machen, oder?«,
fragte der Professor nach einer Weile.
    Â»Ich habe eine ungefähre
Vorstellung. Aber ich bin natürlich keineswegs so umfassend wie gewisse
akademische Koryphäen darüber informiert, was
Undinen theoretisch mit ihren Liebhabern machen würden .«
    Â»Lassen Sie sich gesagt sein: Ich war auch einmal jung!«
    Â»Ja«, schnaubte Theodor. »Das war so … 1811.«
    Der Professor legte einen neuen Ast aufs Feuer.
    Â»Ich will mich nicht mit Ihnen streiten«, sagte er. »Bedenken Sie
doch – ein Meilenstein in der Geschichte phantastischer Forschung: echte
Undinen, so wie sie Hummel in seinem Standardwerk ›Von den Bewohnern der
Fernen Länder‹ beschreibt:
    Â 
    Undine, auch Wasserfey oder Mellusine. Ein geyles
Frauenzimmer, welches in Teichen und Seen hauset und unfürsichtige Mannsbilder
ins Wasser locket, um mit ihnen der verderblüchen Wollust zu pflegen.
    (Von den Bewohnern der Fernen Länder.
Dritte verbesserte Auflage mit einem Register).«
    Â»Den Teil mit der
verderblüchen Wollust muss ich verpasst haben, vielen herzlichen Dank auch«,
grummelte der Student.
    Seine Laune besserte sich auch am nächsten Tag nicht,
trotz der idyllischen Gegend, durch die sie nun wanderten.
    Am Fuß des Gebirges begann der Zauberhafte Wald ,
eine der landschaftlich attraktivsten Regionen der Fernen Länder wie der
Professor erläuterte.
    Sie schritten über einen weichen Moosteppich, dessen tiefes Grün mit
vielfarbigen Blumen gesprenkelt war.
    Sonnenstrahlen fielen golden durch das lichte Blätterdach. Zuweilen
kamen sie an riesigen Pilzen mit weit ausladenden,

Weitere Kostenlose Bücher