Fantasy. Aber ohne doofe Elfen
Unschuldsbekenntnis eines Gehängten
in der Mitte seiner eigenen Hinrichtung, bloß ohne die kch-Laute.
Mehr aus einer Eingebung heraus als aufgrund
einer durchdachten Entscheidung, begann Gnichl, die Wickelbahnen der
Mumie zu lösen. Er fing unten an, überlegte es sich anders und
sprang zum Kopfende. Erfolglos knibbelte er an den verklebten
Binden, dann warf er die Pfeife von sich, holte sein kleines
Messerchen hervor. Machte sich an der Mumie zu schaffen.
»Hummmmrrrrrrr!«
»Zappel nicht so, ich hab ein Messer in der
Hand.« Die Mumie erstarrte. Konzentriert stocherte Gnichl an den
Verbänden herum und versuchte, die benebelnden Schlieren des grünen
Tabaks aus dem Kopf zu vertreiben. Mit geschickten Schnitten
zerlegte er die Binden dort, wo er die Nase des Opfers vermutete.
»Hier«, keuchte Gnichl, »jetzt kannst du
besser atmen.«
»Munnu.«
»Gern geschehen.«
Zehn Schnitte später erkannte Gnichl, dass die
Mumie eine Frau war. Weitere zehn Schnitte später wusste er, dass
er noch nie so lebendige Augen gesehen hatte. Und nach den nächsten
zehn Schnitten hörte er zum ersten Mal ihre ungedämpfte Stimme:
»Pass bloß mit dem Messer auf!«
»Bist du nackt? Ich meine, unter den Binden?«,
fragte Gnichl unsicher.
»Das geht dich gar nichts an.«
»Wie heißt du?«
»Rosa. Und du?«
»Das geht dich gar nichts an.«
Rosa entgegnete nichts und starrte zur Decke.
Gespräche zwischen Gnichl und Frauen verliefen
immer auf diese Weise. Er seufzte.
»Gnichl aus Worzuck, Drittlebender. Was glaubst
du, was ich hier mache?«, fragte Gnichl und fuhr damit fort, die
Binden zu zerschneiden. Was dabei zum Vorschein kam, gefiel ihm
außerordentlich, obwohl Rosa keineswegs nackt war. Vielmehr trug
sie die bequemen Kleider einer Draufgängerin. »Ich bin Lehrling
der Entzauberei. Zweites Jahr an der Hochschule von Dompf.«
»Hast du hier irgendwo eine Brosche gesehen?«,
fragte Rosa, während sie ihre Arme und Beine frei strampelte.
»Nur ein paar Aschehäufchen, denen man nicht
ansieht, ob sie mal animierte Skelette oder untote Tempelwächter
waren. Was ist das für eine Brosche?«
»Der Grund für meinen Zustand«, gab Rosa
zurück. »Meine beiden Kameraden haben einen Lähmungszauber
gesprochen und mich eingewickelt.«
Das war es also! Gnichl hatte mit seinem
Entzauber-Ritual den Lähmungszauber entfernt, nicht etwa
Reanimationsmagie. »Ihr habt diese Brosche gesucht ... gefunden,
und dich haben deine Leute hier ... als Rattenfutter
zurückgelassen?«
»Bist ein schlauer Entzauberlehrling. Ich werde
mich natürlich angemessen revanchieren. Bei meinen Kameraden. Und
du wirst mir helfen.« Sie tippte Gnichl auf die Brust.
»Warum sollte ich ...«, begann er. Rosa sah ihn
mit einem Mal verführerisch an.
»Frauen haben zwei Seiten«, hatte Grobin der
Erhebliche einmal in der Vorlesung gesagt, »eine ist magisch, die
andere eiskalt.«
»Oh nein ...«, hauchte Gnichl, als ihm klar
wurde, welche der beiden Seiten er gerade erlebte und wurde eine
Handbreit kleiner. Rosa marschierte aus der Krypta, und Gnichl
folgte ihr in den Hügelwald. »Warum lernen wir das Entzaubern von
weiblicher Magie erst im letzten Jahr?«, murmelte er.
»Weil ihr vorher noch nicht reif für die
Konfrontation mit derart überirdischer Macht seid«, erklärte Rosa
belustigt. Sie ging zielstrebig Richtung Dompf, dem kleinen
Städtchen, in dessen Nähe das Verlies mit der Krypta lag.
»Woher weißt du, wo deine Kameraden sind?«,
fragte Gnichl, der versuchte, mit Rosa Schritt zu halten.
Fast hätte er sie umgerannt, als sie plötzlich
stehen blieb und nach rechts ins Gebüsch zeigte.
Gnichl stockte der Atem. Da lag ein Mann auf dem
Bauch und wartete auf seine Wiedergeburt. Boden und Gebüsch waren
voller Blut. Jemand hatte ihm die Kehle durchgeschnitten –
hinterrücks, wie Gnichl schlussfolgerte, denn der Mann sah kräftig
und wehrhaft aus, aber sein Schwert steckte in der Scheide. Es hatte
keinen Kampf gegeben.
»Hensward, genannt der Scharfe«, hörte Gnichl
Rosas Stimme neben sich, »mögen die Würmer ihn ausweiden, auf
dass er als einer von ihnen wiedergeboren werde.« Sie spuckte aus
und sah die Leiche verächtlich an. »Während er mich eingewickelt
hat, hat er mir sowas ähnliches gesagt. Mit dem Unterschied, dass
ich seine Ausführungen hören konnte, und er mich jetzt nicht.«
»Wir können ihn doch nicht hier liegen lassen«,
meinte Gnichl.
»Oh doch«, sagte Rosa und sprang zurück auf
den Weg. Ihr zu widersprechen,
Weitere Kostenlose Bücher