Farben der Liebe
wenig Ablenkung hatte ich nichts einzuwenden und war sogar froh über Noahs Anruf. Jetzt will ich nur noch weg … Weg von diesem Ort, aber vor allem weg von ihm. Irgendwo in meinem Inneren wusste ich, dass es keine gute Idee ist, zu ihm zu fahren. Trotzdem konnte ich es nicht lassen, konnte dem Drang nicht widerstehen, ihn zu sehen. Aber dann ist alles aus dem Ruder gelaufen. Ich kann mich gar nicht mehr erinnern, was genau passiert ist. Aber ich weiß, dass ich alle Mühe hatte, ihn nicht zu schlagen. Gott, ich hätte ihm so gern eine reingehauen! Ihm dieses verdammte Lächeln aus dem Gesicht gewischt.
Ich möchte schreien, etwas kaputt machen, verletzen … oder wenigstens mit dem Fahrstuhl von hier verschwinden.
Bestimmt beruhigen sich meine angespannten Nerven, wenn ich in meinen eigenen vier Wänden bin, wenn ich ein Glas Whiskey getrunken habe und vielleicht hole ich die Zigaretten aus dem Notfallversteck. Das ist ganz eindeutig ein Notfall! Ich hoffe, davon wird dieses Gefühl, gleich ersticken zu müssen, vergehen, werden sich meine strapazierten Nerven wieder beruhigen. Und mein Herz? Wieso reagiert dieser dumme Muskel nur auf so widersinnige Weise?
Unruhig sehe ich auf meine Uhr. Es ist noch gar nicht spät, vielleicht sollte ich noch nicht nach Hause und stattdessen in eine Bar gehen. Einen Whiskey kriege ich dort auch und wer weiß, möglicherweise findet sich eine noch viel bessere Ablenkung in Form einer willigen Frau. Dann wird bestimmt auch seine Stimme aus meinem Kopf verschwinden, dann werde ich seine merkwürdig grauen Augen nicht mehr vor mir sehen und alles wird wieder wie vorher. Ich hatte einfach schon viel zu lange keinen Sex mehr! Daran wird es mit Sicherheit liegen, dass sich alles verdreht anfühlt.
Er hat mir all diese Dinge an den Kopf geworfen und ich habe ihn als schwule Sau betitelt, gesagt, dass seine abartige Neigung pervers ist … nicht normal … weil einfach nichts an ihm normal ist. Schon allein diese Augen. Noch nie habe ich so graue Augen gesehen …
„Scheiß Ding!“, brülle ich in den leeren Flur und balle die Hände zu Fäusten. „Setz dich endlich in Bewegung und bringe mich von hier weg!“
Meine Faust landet auf dem kalten Metall neben der Tür. Schmerz durchzuckt meine Hand, rast in Sekundenschnelle durch meinen Körper. Es überlagert für einen Moment dieses elende Gefühl in meinem Innern und mildert die Wut. Aber der Schmerz hält nicht lang genug an, als das ich mich beruhigen könnte. Ich möchte auf irgendetwas einschlagen, mich verletzen, ihn verletzen … die ganze Welt verletzen. Wenn doch nur endlich dieser Fahrstuhl kommen würde!
Ich höre, wie sich die Tür hinter mir leise öffnet. Ich höre Schritte, die sich auf mich zu bewegen. Mein Name aus seinem Mund. Wie ein Hauch weht er zu mir herüber, nistet sich in meinen Gehörgang ein und verursacht eine Gänsehaut. Es ist nur ein Flüstern, aber mir kommt es vor, als könnte allein diese Stimme meine Welt zum Einstürzen bringen.
„Toni … bitte! Es tut mir leid“
Ich schließe die Augen, spüre, wie mein Blut anfängt zu kochen. Eine Feuersbrunst rast durch meinen Körper, hinterlässt nichts als verkohltes Fleisch. Ich kann es direkt riechen!
„Hau ab!“, bringe ich mühsam beherrscht hervor.
Ich kann ihn nicht ansehen, starre die geschlossene Metalltür des Fahrstuhls an. Ein mattes Silbergrau, fast wie seine Augen. Jeder Muskel ist gespannt, alle Sinne sind auf ihn gerichtet. Sein Geruch dringt in meine Nase. Bleib weg von mir! Ich kann für nichts garantieren.
Wieso dauert es so lange, bis der Fahrstuhl hier oben ist? Vielleicht sollte ich die Treppen nehmen, um endlich verschwinden zu können. Aber irgendetwas sorgt dafür, dass ich mich nicht rühren kann, dass ich nur voller Verzweiflung auf die Anzeige oberhalb der geschlossenen Türen starre, nur leider bewegen sich die Zahlen davon nicht schneller.
Tatsächlich lässt Noah genug Abstand zwischen uns. Aber er ist immer noch da. Ich kann ihn spüren, fühle seine Augen in meinem Rücken. Seine Präsenz ist so deutlich, dass mir Schauer über den Rücken jagen.
Endlich hält der Fahrstuhl auf der Etage. Die Türen öffnen sich viel zu langsam. Erleichtert trete ich ins Innere der Kabine, bleibe mit dem Rücken zur Tür stehen und lehne mich seitlich gegen die kalte Wand. Die Augen halte ich geschlossen, denn ich fürchte mich davor, ihn im Spiegel zu sehen. Alles, woran ich mich klammere ist, die Tatsache, dass es gleich
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