Farben der Liebe
müssen. Keine Ahnung. Jetzt, Anfang dreißig, würde ich gerne ein Leben führen, das mich sesshaft werden lässt. Ein Leben, das mich voll und ganz befriedigt. Deshalb bin ich heute Morgen ein paar Stunden weg gewesen. Bankgeschäfte tätigen.“
Laurent nahm Rafael in die Arme.
„Ich bin frei, nicht mehr verheiratet. Und schuldenfrei. Ich habe vor Wochen unvorhergesehen eine Erbschaft gemacht. Eine Tante, von der ich nichts wusste, hat mir ihr kleines Vermögen vermacht. Mit Abzug der Steuern könnte ich in ein lukratives Geschäft einsteigen.“
Lauernd sah Laurent Rafael an, der sich völlig verwirrt auf einen Felsen setzte.
„Was?“, stotterte er verblüfft.
„Als ich von einer längeren, zusätzlichen Ausbildung in Japan zurückkam, bewarb ich mich in Bordeaux, um dort zu arbeiteten. Ich war dort Alleinkoch, kam kaum raus. Dann kam der Anruf eines Rechtsanwalts, der mir von meiner Tante erzählte. Meine Eltern waren völlig perplex, dass die Schwester meiner Mutter mich berücksichtigt hatte. Endlich war ich meinem Traum ein gewaltiges Stück nähergerückt. Ich rief unseren gemeinsamen Freund an, wir beide freuten uns über das, was ich vorhatte. Aber er ließ mich suchen … und ich hab dich gesucht … hat ein bisschen gedauert. Dann hab ich das Schild gesehen. Chez Ra et La , das konnte kein Zufall sein. Schicksal vielleicht? Ja, dann sah ich die Bilder, du hast sie wunderbar in Szene gesetzt. Und überhaupt … willst du mich noch, Rafa? Ganz und gar? Wenn ja, dann gibt es hier nur wir beide. Du und ich in unserem Paradies.“
Rafael schloss die Augen, überlegend, was er Laurent sagen wollte. Er spürte dessen Blick, gleichzeitig dessen Angespanntheit. Es gab nichts mehr zu einem gewissen Thema zu sagen. Manchmal musste man die Vergangenheit ruhen lassen, damit man in die Zukunft blicken konnte. Schließlich hatte ihm die Zeit ohne Laurent geholfen, sich selbst zu finden, so paradox es sich anhörte. Das allein zählte.
„Du verlässt mich, ohne ein Wort zu sagen. Um in die Welt zu gehen, wie du sagtest. Es hat mich tief verletzt. Aber dann sagte ich mir, auch ich habe Pläne. Du siehst, was daraus geworden ist. Die Farben aus meinen Träumen, nein, die Farben aus unseren Träumen, habe ich so gut es ging, hier untergebracht. Seit drei Jahren bin ich nun hier. Es läuft. Andere Männer gingen neben meinem Weg, wohlgemerkt neben. Sex brauche ich nun mal … der Sex mit dir aber ist hinreißend. Zärtlich ohne Ende, liebevoll, wild … und überhaupt bist du ein unwahrscheinlich spannender Mann geworden. Du fragst mich wirklich, ob ich dich noch will?“
Er hielt sich eine Hand vor die Augen.
„Du bist damals weg, hast nicht darüber gesprochen, weil du meintest, eine radikalere Trennung wäre leichter … ich fass es nicht … tu das nicht noch mal.“
Rafael war den Tränen nah. Wann hatte er zum letzten Mal geweint? Richtig geweint? Als kleiner Junge, als er sich die Knie beim Radfahren aufschlug. Und eine einzige Träne, als Laurent ihn verlassen hatte. Doch jetzt waren sie plötzlich da. Als hätten sie gewartet … sein Freund hielt ihn fest, sagte nichts.
„Wein dich aus, Baby. Weine, aber vor Glück. Ich ließ alles zurück, um bei dir zu sein. Ich werde die Küche bei dir ankurbeln, das wirst du nicht glauben, wie. Außerdem sollten wir einen kleinen Anbau hochziehen. Ein weiteres schnuckliges Gästehaus, das Grundstück ist groß genug. Damit, wenn meine Eltern und meine Schwester uns besuchen kommen, sie anständig wohnen können. Übrigens ich war mich heute eintragen, von wegen Wohnsitz. Also, ich geh hier nicht mehr weg … du hast mich endgültig an den Backen.“
Laurent schien selbst den Tränen nahe zu sein, wie Rafael in seinem Gesicht lesen konnte. Zärtlich streichelte er ihm über die Wangen. Er wusste mit absoluter Sicherheit, dass er Laurents Worten Glauben schenken konnte.
So wurde es gemacht. Der Rohbau des zweiten Gästehauses stand ein halbes Jahr später, weitere Monate vergingen, bis es bezugsfertig war. Laurent bekochte die Gäste, Rafael kümmerte sich um die Pension. Restaurierte weiterhin alte Möbel, denen man zusammen mit anderen selbst entworfenen Dingen überall in der Pension begegnete und erstehen konnte. Laurent malte nebenher und so manch einer nahm ein Bild des eigenwilligen Kochs mit nach Hause.
Das kleine Hotel im Hinterland gibt es womöglich, vielleicht auch den Garten …
Ice Blue Eyes
Blau
von Caitlin
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