Farben der Liebe
Daray
Eigentlich wollte ich einfach nur in den Urlaub fliegen.
Vor ein paar Tagen war mir eine kleine Tafel im Fenster eines Reisebüros ins Auge gesprungen. Ein super Last-Minute-Angebot für ein fünf-Sterne-Hotel am Mittelmeer, Antalya.
Als einfacher Kellner in einem Café verdiente man vielleicht nicht die Welt, aber ein schöner Kurzurlaub war auf jeden Fall drin. Und mal ehrlich, wer konnte zu einem solchen Angebot schon Nein sagen? Für gewöhnlich gehörte ich zu den Menschen, die ungern alleine verreisten und wirklich Spaß haben konnte man doch auch erst zu zweit. Zumindest empfand ich das bis vor Kurzem noch so. Nach meiner Trennung, letzten Monat, konnte ich es kaum erwarten von hier wegzukommen und mal nur das zu tun, worauf ich auch wirklich Lust hatte, statt einem von der Freundin selbst zusammen geschusterten Urlaubsplan hinterher zu jagen.
Der Gedanke, aus meinem Alltag zu entschwinden und mich eine Weile treiben zu lassen, war immer lauter, immer verlockender geworden.
Jedenfalls war heute Mittwoch und am Samstag ging mein Flug.
Oh, ich freute mich schon wie blöde.
Zehn Tage Pool, Strand, Essen bis zum Umfallen und pralle Sonne. Was wollte man mehr?
Aber egal wie realistisch und greifbar mein Traum vom Urlaub gerade erschien, Fakt war jedoch, dass ich noch inmitten eines Kleiderhaufens stand. Der leere Koffer lag aufgeklappt auf dem Bett, die Klamotten flogen verstreut auf dem Boden herum. Chaos pur, von Urlaubsfeeling noch nicht besonders viel zu spüren.
Etwas verloren stand ich also da und grübelte. Und grübelte. Reichten sechs Shirts und fünf Hosen? Eine sehr schwierige Hürde, die in die Höhe zu schießen schien, denn sonst hatte immer meine Freundin für mich mitgepackt.
Mein Handy begann, leise vor sich hinzusummen. Empire State of Mind von Jay-Z. Ein Blick auf das blinkende Smartphone verriet mir, dass es meine Schwester war.
„Was gibt’s?“
„Hey Den, ich bin‘s!“
Ja, das hatte mir der Name auf dem Display schon verraten. Zugegeben hasste ich es wirklich, wenn jemand Ich bin’s in den Hörer röhrte.
„Hör mal, es ist etwas Schreckliches passiert!“ Das klang so bierernst, der Ton war mir fremd, musste also was wirklich Schlimmes sein. Mein Körper versteifte sich automatisch und wartete auf den Knall. „Was ist los?“
„Tante Elly ist gestorben.“
Wer?
„Oh“, ertönte es betreten aus meinem Mund. Zumindest sollte es so klingen so weit es meine Schauspielkünste zuließen. Fragezeichen tanzten mir durch den Kopf und meine Frage war keine, die man wohl kaum ausspucken konnte, wenn einem so eine tragische Nachricht überbracht wurde. Wer zum Teufel war noch mal Tante Elly?
„Meine Abreise ist schon geplant, damit ich mich um alles kümmern kann. Immerhin muss jemand die unangenehmen Dinge erledigen wie die Auflösung der Wohnung, das Arrangieren der Beerdigung.“
Elly … Elly … Tante Elly …?
Himmel, der Name ließ sich keinem mir bekannten Gesicht zuordnen!
„Hm“, machte ich nur.
„Kannst du Sven mitnehmen?“
Meine gespielte Traurigkeit verschwand schlagartig, jetzt klappte mir vor Überraschung die Kinnlade runter. „Ich fliege doch am Samstag in den Urlaub, also wird das nichts.“
Insgeheim war ich unendlich froh, dass mir das Babysitten erspart blieb, so lieb mein Neffe auch sein konnte.
Moment, hatte sie gerade etwas von Mitnehmen gesagt?
„Wir zahlen auch das Zimmer und den Flug.“ Sie klang total verzweifelt. „Bitte Denis! Ihn mitzunehmen wäre der blanke Horror und ihr beide versteht euch doch so gut. Du weißt ja, wie er bei mir ist, er hört nicht und rebelliert gegen mich. Was glaubst du, was passiert, wenn man in Berlin einen Sechzehnjährigen von der Leine lässt?“
So schrecklich das für Tante Elly auch war, aber hätte die gute Frau keinen anderen Zeitpunkt finden können, um ins Gras zu beißen?
„Und sein Vater? Das Arschloch kümmert sich ohnehin kaum um ihn, schick ihn doch zu dem!“ Das klang vielleicht gemein, aber immerhin war das doch mein allererster richtiger Urlau b!
„Der ist mit seiner Neuen auf den Kanaren."
Dieser miese, glückliche, dreckige Hund!
„Bitte, ich zahl auch alles, versprochen! Und Taschengeld gebe ich euch auch mit.“
Versuchte sie gerade ihren Sohn an mich zu verkaufen?
„Hör zu Lis, ich weiß nicht ob das so eine gute ...“
„Was mache ich denn, wenn er einfach abhaut und gar nicht mehr nach Hause kommt? Wenn er sich an die falschen Leute hängt?“ Sie
Weitere Kostenlose Bücher