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Farben der Schuld

Farben der Schuld

Titel: Farben der Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisa Klönne
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kann sie es auch schmecken und was sonst ist diese getrocknete Kruste in ihrem Gesicht?
    Sie kann nicht aufstehen, also kriecht sie auf allen vieren ins Bad, wo der Gestank des Erbrochenen sie erneut würgen lässt. Aber ihr Magen gibt nichts mehr her, nur der Schmerz wütet dort, strömt in ihren Unterleib, sticht und krampft, als habe sie ihre Tage.
    Sie hat in die Badewanne gebrochen, jetzt sieht sie das. Warum kann sie sich nicht daran erinnern?
    Saubermachen! Zitternd kniet Bat sich auf den Badeläufer, stellt die Dusche an, spült die Kotze weg. Vielleicht hat sie einen Magen-Darm-Virus. Oder hat sie zu viel getrunken?
    Fabian hing mit ein paar anderen Goths aus ihrer Clique im Hinterhof des Lunaclubs ab, als sie kam. Sie haben gekifft, aber sie hatte keinen Bock darauf, sie wollte lieber ein Bier, also ist sie rein, an die Bar. War es so? Ja.
    Bat lässt den Duschkopf in die Wanne fallen, setzt sich hin, lehnt den Rücken an den Wannenrand. Ihre Strumpfhose hat ein blutiges Loch über dem Knie, Laufmaschen ziehen sich von dort über Schienbein und Oberschenkel.
    Lars, sie hat Lars an der Bar gesehen. Janas Lars. Er ist es wirklich. Sie hat sich zu ihm durchgedrängelt und sie hat Bier getrunken, ziemlich viel Bier, während sie ihn beobachtet hat. Sie hat sogar mit ihm gesprochen – oder bildet sie sich das ein?
    Ihr Kopf tut weh, ihr Bauch, alles tut weh. Bat zieht sich am Waschbecken hoch, erhascht einen Blick auf sich im Spiegel. Die bekotzte Bluse, Blut, das verklebte, leichenblasse Gesicht, ihre weit aufgerissenen Augen.
    Sie hat neben Lars an der Bar gestanden, sie hat sogar mit ihm gesprochen, nicht über Jana natürlich, nur so ein Thekenblabla und er hat sie tatsächlich nicht erkannt. Und dann ist er gegangen, mit irgend so einer Tusse mit rosa Haaren im Arm, und Bat ist hinterher, aber das hat nichts gebracht, sie konnte nur noch zugucken, wie die beiden in einem dunkelroten Angeber-BMW weggefahren sind. Nicht mal das Autokennzeichen hat sie sich gemerkt.
    Und dann? Was war dann? Mit großer Mühe zieht Bat sich aus, stopft die verdreckten Klamotten ohne hinzuschauen direkt in die Waschmaschine, schüttet reichlich Waschpulver dazu und schaltet sie ein, bevor sie sich in die Badewanne sinken lässt, wo das Wasser noch immer aus dem Duschkopf sprudelt.
    Aber es muss heißer sein, viel heißer, damit sie nicht mehr so friert. Und sie braucht Shampoo und Duschgel, viel Duschgel, denn sie will das Erbrochene nicht mehr riechen, will wieder sauber sein, gesund, normal. Nüchtern. Langsam, ohne die Berührungen ihrer Hände auf der nackten Haut wirklich zu spüren, seift Bat sich ein, sieht zu, wie sich zwischen ihren Beinen eine rote Schliere löst und mit dem Schaum zum Abfluss fließt.
    Sie hat ihre Tage gekriegt, das ist es also. Nochmals seift Bat sich gründlich ab, steckt dann den Stöpsel in den Abfluss und lässt die Wanne volllaufen, gibt eine großzügige Portion Badesalz hinzu.
    Der Duft und das heiße Wasser beruhigen sie und ihr Bauch tut nicht mehr so weh. Bat schließt die Augen, lässt sich in die Wärme sinken, immer tiefer und tiefer, an einen Ort weit, weit weg.
    Aber dann, gerade, als alles friedlich ist, greift eine Hand nach ihr, jemand schüttelt sie, und als Bat mühsam die Augen öffnet, blickt sie direkt in das panische Gesicht ihrer Mutter.
    »Beatrice«, schreit sie und schüttelt Bat immer weiter. »Bea, Mädchen, um Himmels willen. Was ist passiert?«
    Die Stimme auf dem Anrufbeantworter des Polizeiseelsorgers Hartmut Warnholz klingt warm und freundlich. Judith hört zu, wie diese Stimme »für dringende Angelegenheiten« eine Mobiltelefonnummer diktiert und verspricht, baldmöglichst zurückzurufen, falls sie eine Nachricht hinterlässt. Als der Piepton ertönt, unterbricht Judith die Verbindung, setzt sich wieder auf ihren Lieblingsplatz auf der Fensterbank. Hochnebel liegt über den Dächern. Der Himmel ist genauso weiß wie am Tag zuvor. Zwei Krähen landen flügelschlagend auf dem Geländer der Dachterrasse, flattern sofort wieder auf und verschwinden aus Judiths Blickfeld.
    Judith geht zu ihrem Sekretär, wo Warnholz' Visitenkarte liegt, die sie in der Nacht wieder aus dem Papierkorb geholt hat. Einer weiteren Nacht, die sie mit Hilfe von Tabletten überstanden hat, der letzten Notration aus dem Krankenhaus. Ist sie ein dringender Fall? Kann ihr das Gespräch mit einem katholischen Geistlichen irgendetwas bringen? Sie geht in die Küche, trinkt ein Glas Wasser, dann

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