Farben der Sehnsucht
während er sie weiterhin in seinen Armen hielt und liebkoste. Normalerweise war er nach einem Orgasmus entspannt und zunächst etwas müde und später dann voller Energie, aber dieses absurde Glücksgefühl war ihm neu. Er konnte einfach nicht verstehen, wieso die Frau in seinen Armen eine so erstaunliche Wirkung auf ihn hatte: Ein Blick von ihr genügte, um ihn zu erregen, ein Lächeln, um ihn aufzuheitern, eine Berührung, um ihn dahinschmelzen zu lassen. Sie war die wunderbarste Frau, die er jemals kennengelernt hatte.
Plötzlich fiel ihm ein, daß sie noch nichts zu Abend gegessen hatte. Er hatte sie früh an Bord haben wollen, um mit ihr gemeinsam den Sonnenuntergang zu erleben, und als er nun auf seine Uhr sah, stellte er fest, daß der Abend noch erfreulich jung war.
Sie sah zu ihm auf, als er ihr Haar von seiner Wange strich und in schalkhaftem Ton meinte: »Im Abendprogramm sind auch ein Dinner und eine Besichtigungstour inbegriffen.«
Mit einem schläfrigen Lächeln ließ sie ihre langen Finger zärtlich über seine Brust gleiten. »Und was wir gerade getan haben, war das auch im Eintrittspreis enthalten, oder wird es extra verrechnet?«
»Sieh mich nicht so an, oder wir werden das Dinner ausfallen lassen müssen!«
»Ach ja?« fragte sie. »Was würden wir denn statt dessen tun?«
»Gleich zum Dessert übergehen.«
Um jede weitere Versuchung zu vermeiden, griff er nach dem Telefon und wies sein Personal an, in einer halben Stunde das Abendessen zu servieren; dann stieg er widerstrebend aus dem Bett.
Die Atmosphäre zwischen ihnen hatte sich geändert, als sie wenig später bei Kerzenlicht und leiser Hintergrundmusik zu Abend speisten. Ohne die Spannung, die aus unerfülltem erotischen Begehren entstand, fühlten sie sich plötzlich wie neue Freunde, die einander besser kennenlernen wollten.
Nach dem Essen war Sloan so locker und entspannt, daß sie keinerlei Hemmungen mehr hatte, auf all die Fragen zu antworten, die Noah ihr über Carter und ihre Mutter stellte. »Meine Mutter hat mit achtzehn Jahren einen Schönheitswettbewerb gewonnen, und der Preis war eine einwöchige Reise nach Fort Lauderdale mit Unterbringung in einem Luxushotel«, begann sie. »Ein Fotograf von der Lokalzeitung machte am Strand Fotos von ihr, während Carter ganz in der Nähe auf einer Cocktailparty eingeladen war. Als er in seinem weißen Dinnerjackett am Strand entlangspazierte und meine Mutter ihn sah, verliebte sie sich auf Anhieb in ihn. Das ist alles.«
»Nun, das kann ja noch nicht alles gewesen sein«, scherzte Noah.
»Dann sagen wir, beinahe alles. Meine Mutter war bei ihrer Großmutter aufgewachsen, und sie war genauso naiv, wie sie schön war. Sie verbrachte die verbleibenden drei Tage ihrer Reise mit Carter in seiner Hotelsuite. Sie schenkte ihm ihre Jungfräulichkeit, und Carter schenkte ihr Paris. Als sie nach Hause zurückkehrte, war sie fest davon überzeugt, daß er sie liebte und sie heiraten wollte - sobald er seine feine Familie in San Francisco mit seiner Absicht vertraut gemacht hatte. Natürlich war Mom daher leicht verwundert, als sie statt dessen kein Wort mehr von ihrem >Verlobten< hörte. Noch verwunderter war sie allerdings, als ihr der Arzt mitteilte, daß sie nicht an einer Magenverstimmung litt, sondern schlicht und ergreifend schwanger war.«
Noah hob sein Weinglas und betrachtete aufmerksam ihr Gesicht, in dem sich ihre widerstreitenden Gefühle abzeichneten. Sie war sichtlich bemüht, so beiläufig wie möglich zu klingen, doch ihre Stimme wurde unwillkürlich weich, wenn sie ihre Mutter erwähnte, und verhärtete sich merklich, wenn sie über Carter sprach. »Und was geschah dann?« fragte er, als sie schwieg.
»Das Übliche«, erwiderte sie mit einem scheinbar heiteren Lächeln und ohne ihn anzusehen. »Meine Mutter begab sich in die Stadtbibliothek und fand die Adresse des Vaters ihres Babys heraus, indem sie seinen Familiennamen im Who’s Who nachschlug.« Als Noah nicht auf ihren Versuch einging, die Schwere ihrer Worte mit einer Portion Humor zu überspielen, räusperte sich Sloan und fuhr hastig fort: »Sie war sich immer noch so sicher, daß er sie auch liebte und daß sein Schweigen nur von dem Zwang seiner Familie herrühren konnte, daß sie ihr letztes Geld von dem Wettbewerbspreis für ein Flugticket ausgab. Spät am Abend kam sie mit ihrem Koffer bei Carters Familie an, die ihr kurz und bündig mitteilte, daß er ausgegangen sei. Sie stellte sich als seine Verlobte vor
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