Farben der Sehnsucht
sondern Abscheu; und dieses Gefühl verstärkte sich, sobald sie an seinen unverfrorenen Anruf dachte. Er schien tatsächlich zu glauben, daß ein kurzer Anruf genügte, um seine verlassene Frau und seine vernachlässigte Tochter vor Freude über ein Wiedersehen aufjubeln zu lassen. Sie hätte ihn am Telefon nicht nur kühl abweisen sollen; sie hätte ihm sagen sollen, daß sie lieber eine Woche in einer Schlangengrube verbringen würde, als ihn zu treffen. Sie hätte ihm sagen sollen, daß er ein Bastard war.
7
Etwa um halb zehn Uhr abends hatte ein Nachbar von Mrs. Rivera das Feuer entdeckt und die Feuerwehr gerufen. Obwohl sie nur wenige Minuten später am Brandort eingetroffen war, hatte sie das etwas schäbige Haus mit dem hölzernen Grundgerüst nicht mehr retten können.
Sloan war gerade auf dem Nachhauseweg, als sie über Funk von dem Brand hörte. Eigentlich hatte sie sich schnell zu Hause umziehen und dann gleich an den Strand zu Petes Polterabend gehen wollen. Sie entschloß sich jedoch spontan, zu dem brennenden Haus zu fahren und zu sehen, ob sie irgendwie helfen konnte. Die kleine Straße sah aus, als befände sie sich im Belagerungszustand: Die Ansammlung von Feuerwehrfahrzeugen, Kranken- und Streifenwagen machten es Sloan fast unmöglich, zum Brandherd durchzudringen. Blinkende Blaulichter, heulende Sirenen und die auf der Straße lagernden Feuerwehrschläuche, die aussahen wie fette weiße Schlangen, gaben der ganzen Szenerie etwas Unheimliches. Um die Neugierigen zurückzuhalten, hatte die Polizei bereits eine Absperrung errichtet.
Sloan war gerade in ein Gespräch mit ein paar Nachbarn vertieft, als die Hausbesitzerin, Mrs. Rivera, die den Abend ahnungslos bei einer Freundin verbracht hatte, plötzlich auf der Bildfläche erschien. Sie war eine ziemlich mollige, ältere Frau und schien unter einem schweren Schock zu stehen, als sie sich nun ihren Weg durch die Menschenmenge erkämpfte. »Mein Haus! Mein Haus!« schrie sie immer wieder, und als sie schließlich über einen Wasserschlauch stolperte und dabei fast zu Boden fiel, eilte Sloan sofort zu ihr, um die verzweifelte Frau aufzufangen und zu trösten.
»Sie können da nicht reingehen«, sagte Sloan sanft zu Mrs. Rivera. »Sie könnten sich verletzen, und außerdem würden Sie dabei nur die Männer stören, die Ihr Haus zu retten versuchen.«
Statt sich zu beruhigen, wurde Mrs. Rivera aber nur noch hysterischer. »Mein Hund...!« schluchzte sie plötzlich laut auf und versuchte, sich von Sloan loszureißen. »Meine Daisy ist noch da drin!«
Sloan hielt die Frau fest in ihrer sanften Umklammerung und überlegte hastig, wie sie sie beruhigen konnte. »Ist Daisy ein kleiner braunweißer Hund?«
»Ja. Klein. Braun und weiß...«
»Ich glaube, ich habe sie vor ein paar Minuten gesehen«, sagte Sloan. »Sie ist ganz bestimmt in Sicherheit. Rufen Sie ihren Namen. Kommen Sie, wir werden gemeinsam nach ihr suchen.«
»Daisy!« weinte Mrs. Rivera, während sie hilflos im Kreis herumirrte. »Daisy! Daisy, wo bist du?«
Sloan sah sich aufmerksam nach einem Versteck um, das der kleine, sicherlich völlig verängstigte Hund gewählt haben könnte. Plötzlich entdeckte sie das rußverschmierte Tierchen, als es gerade unter einem Streifenwagen hervorlugte. »Da ist ja Ihre Daisy!« sagte Sloan erleichtert zu Mrs. Rivera.
»Daisy! Meine allerliebste Daisy!« schluchzte die Frau überglücklich, rannte auf das Tier zu und riß es in ihre Arme.
Danach konnte Sloan nichts weiter tun, als neben der verzweifelten Frau zu stehen und sie nicht allein zu lassen, während sie hilflos mit ansehen mußte, wie die gierigen Flammen ihr Haus verschlangen. »Ein Nachbar hat mir erzählt, daß eine Ihrer Töchter in der Nähe lebt«, sagte Sloan schließlich zu Mrs. Rivera.
Die Frau nickte stumm, den Blick immer noch ungläubig auf das gerichtet, was einmal ihr Zuhause gewesen war.
»Ich werde einen Kollegen bitten, sie abzuholen und hierher zu Ihnen zu bringen«, erbot sich Sloan.
Als Sloan nach Hause kam, war es schon zu spät, um noch zu duschen und Haare zu waschen, bevor sie sich zu Petes Party aufmachte. Sie ließ ihren Wagen in der Hauseinfahrt stehen, griff nach ihrer Handtasche und eilte über die Straße, wobei sie sich zwischen zwei dicht hintereinander geparkten Autos hindurchwinden mußte. Dabei fiel ihr Blick auf einen weiter entfernt stehenden Ford, auf dessen Fahrersitz die Umrisse eines Mannes zu erkennen waren; plötzlich war der Mann jedoch
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