Farlander - Der Pfad des Kriegers - Buchanan, C: Farlander - Der Pfad des Kriegers - Farlander
an dem Kamm, damit er sich einen Weg hindurchbahnte. »Es geht mir tatsächlich besser als gut. Ich fühle mich wunderbar, als ob ich wieder ein junges Mädchen wäre. Ich bin das Hauptobjekt der Begierde für einen von Sascheens Hohepriestern geworden. Ich! Kannst du das glauben?«
»Ja, ich glaube, ich habe vorhin seinen nackten Arsch gesehen.«
»Rainee? O nein, mein Lieber, o nein. Der bloße Gedanke daran! Nein, er ist nur einer meiner regelmäßigen Kunden. Farando ist aus ganz anderem Holz geschnitzt.
Leider ist er etwas hässlich, aber er hat Kraft, Macht, Ansehen, gibt mir Geschenke und führt mich abends in die Stadt aus. Was will ich mehr? Und du«, fragte sie und drehte das Gesicht ihrem Sohn zu, »wie geht es dir?«
Ché kratzte sich am Ellbogen – nicht geistesabwesend, sondern absichtlich. »Es geht mir gut«, sagte er und dachte dabei: Sie erinnert sich nicht daran, dass heute mein Geburtstag ist .
»Deine Haut sieht heute besser aus. Wirkt die Salbe?«
Ja, sie hatte ihm eine neue Salbe gegeben in der Hoffnung, dass sie den Ausschlag heilte, unter dem er so litt. Er zuckte mit den Achseln – eine abgemessene, vorsichtige Geste, wie all seine Bewegungen.
»Wenn ich mich nur erinnern könnte, was wir benutzt haben, als du jung warst.« Verzweifelt schüttelte sie den Kopf. »Ich habe es vergessen. Glaubst du, ich werde alt? Hm?« Sie betrachtete ihr Spiegelbild. »Wendet sich mein Gesicht allmählich von der Sonne ab – gemeinsam mit meinen Erinnerungen?«
»Du bist alt genug für Melodramatisches, das gebe ich gern zu. Ich bin froh, dass es dir gutgeht, Mutter, aber ich muss dich jetzt verlassen.«
»Schon?«
»Bei dieser Übung wird die Zeit gemessen. Und ich muss noch herausfinden, worum es hierbei in Wirklichkeit geht.«
Ché kletterte auf den Fenstersims und drehte sich für eine letzte Bemerkung um. »Irgendetwas stimmt hier nicht«, sagte er. »Sei vorsichtig.«
Er war schon weg, als sie den Mund öffnete und ihn verabschieden wollte. »Oh«, sagte sie stattdessen nur.
Sie kehrte zu ihrem Spiegelbild zurück und summte leise, während sie ihre goldenen Locken bürstete. Dabei versuchte sie, den Rhythmus eines knarrenden Bettes im Stockwerk über ihr nicht zu bemerken.
»Hast du den Handstreich wie befohlen durchgeführt?«
»Ja«, antwortete Ché.
»Ausgezeichnet. Irgendwelche Begleitschäden?«
»Zwei Akolyten. Ihr Tod war … notwendig.«
»Zwei? Hast du keine Möglichkeit gehabt, dich an ihnen vorbeizuschleichen?«
»Das hätte mehr Zeit gekostet. Ich habe den direkten Weg gewählt.«
»Das tust du immer. Ich fürchte, das ist der Rōschun in dir. Gut. Bitte sag mir, wie es deiner Mutter geht.«
Ché wich ein winziges Stück von dem Holzpaneel vor ihm zurück. Er saß in einem Alkoven innerhalb eines dunklen Zimmers irgendwo in dem verwinkelten Labyrinth, aus dem die unteren Etagen des Tempels bestanden. Der Alkoven war mit dunkel gebeiztem Teakholz getäfelt. Am anderen Ende befand sich ein kleiner filigraner Wandschirm, hinter dessen Gitterwerk die dunkle Frage lag, wen oder was er verbarg. Ein kühler und würziger Luftzug drang durch die Öffnungen, aber das Fehlen jeglicher Geräusche deutete an, dass der Raum hinter dem Schirm klein und streng abgeschieden war.
»Meiner Mutter scheint es ziemlich gutzugehen«, entgegnete er dem unsichtbaren Frager.
»Das höre ich gern. Sie ist eine sehr gute Frau.«
Die Stimme war unangenehm hoch; es klang, als würde ihr Träger andauernd am Rande der Hysterie schweben. Ché kannte bisher vier verschiedene Stimmen, die hinter dem Paravent zu ihm sprachen. Sie alle waren seine Betreuer, aber er hatte keine Ahnung, wer sie waren. Außerdem wusste er nicht, wer seine Mördergenossen waren, denn sie alle wurden getrennt voneinander ausgebildet, und es wurde ihnen kein gegenseitiges Kennenlernen gestattet.
Wieder beugte sich Ché näher an den Paravent heran und wartete auf weitere Worte.
»Willst du mich nicht fragen, Ché, warum du heute dorthin geschickt wurdest?«
»Würde ich die Wahrheit erfahren?«
Leises Kichern. »Nein, das würdest du nicht. Aber ich kenne jemanden, der es dir auf seine – oder eher ihre – weitschweifige Art sagen wird. Sie möchte jetzt mit dir sprechen, junger Diplomat.«
»Von wem redet Ihr?« Er sprach mit ruhiger Stimme, aber sein Herz schlug nun in einem schnelleren Rhythmus.
»Melde dich sofort in der Sturmkammer. Sie wartet dort auf dich.«
Ché fuhr in einem lärmenden Steigekasten
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