Farlander - Der Pfad des Kriegers - Buchanan, C: Farlander - Der Pfad des Kriegers - Farlander
Zwölf Tage waren seit seiner Abreise von Sato vergangen. Er kaufte sich bei den mürrischen Eingeborenen, an denen er vorbeikam, etwas zu essen, im ersten Hafenort ein Muli und machte sich dann entlang der Küstenstraße auf den Weg nach Cheemhafen.
In Cheemhafen erwischte er eine schnelle Schaluppe, die direkt nach Q’os fuhr.
Ché kehrte nie zurück.
Nun, drei Jahre später und viele Stockwerke über dem Erdboden, kauerte Ché in Reichweite eines offenen Fensters. Wenn er jetzt nach unten geschaut hätte, wäre ihm eine kleiner werdende Reihe von ausgehärteten Stoffbällen aufgefallen, die sich kreisförmig um die gebogene
Mauer nach unten zogen, denn er war nicht einfach nur nach oben geklettert, sondern auch seitwärts und hatte überall neue Stützen für Hände und Füße angebracht. Doch Ché schaute nicht nach unten.
Der Klang eines Liebesspiels drang aus dem offenen Fenster über ihm. Es war laut und ungehemmt, und er wartete ohne jeden Gedanken, bis es zu Ende war. Es dauerte nicht lange.
Ein gewagter Blick in den Raum enthüllte den fetten, blassen und pickeligen Hintern eines Mannes, bevor er von einer hastig übergeworfenen Robe verdeckt wurde. »Meinen Dank«, keuchte der fette Priester der Frau zu, die nackt auf dem zerwühlten Bett lag, bevor er ohne einen Blick zurück davoneilte.
Ché gelang es nicht, das Gesicht der Frau deutlich zu erkennen, doch irgendetwas an ihr versetzte ihn in höchste Alarmbereitschaft. Er wartete außer Sichtweite und lauschte dem Wispern der Seide, als auch sie sich anzog.
Ché nahm die Garotte zwischen die Zähne.
Er kämpfte gegen den Widerstand an, den sein Körper ihm bot, und sprang.
Er war im Zimmer und zog den Draht zwischen seinen Fäusten glatt. Die Frau drehte sich um und legte die Hand vor den Mund, wie um einen Schrei zu ersticken.
Mit einem Seufzer sackte Ché gegen den Fensterrahmen. Er legte die Garotte in seinen Schoß, als die Frau die Hand sinken ließ.
»Kannst du nicht wie jeder andere die Tür benutzen? «, fragte sie und sah ihn finster an.
»Hallo, Mutter«, sagte er.
Die Frau machte sich daran, im Zimmer aufzuräumen. Sie zog das Laken vom Bett, versprühte eine Nebelwolke aus klebrigem Parfüm, das nach wildem Lotus roch und ihm in der Kehle kratzte. Schließlich hielt sie inne und wandte sich ihm wieder zu, wobei ein fragender Blick ihr feines Gesicht aufwühlte.
»Bist du hier, um mich zu töten?«, fragte sie und deutete mit dem Kopf auf den Garottendraht.
»Natürlich nicht«, protestierte er. »Mir wurde aufgetragen, einen Handstreich durchzuführen und danach sofort zum Tempel zurückzukehren.«
»Also bist du nur zu Übungszwecken hier. Ich frage mich, was sie geritten hat, dich auf deine eigene Mutter loszulassen.«
An der Oberfläche blieb Ché ruhig, wie immer, aber in ihm stieg eine stille Wut auf. »Ich weiß es nicht«, gab er zu. »Normalerweise wohnst du doch im nächsthöheren Stockwerk, oder?«
»Ah«, schnurrte sie, als ob sie plötzlich die Wahrheit erkannt hätte. »Ja, natürlich. Sie haben mir heute Morgen befohlen, hierher umzuziehen.«
Als sie auf ihn zutrat, roch er einen moschusartigen Duft. Sie lächelte ihn beinahe verführerisch an; es schien das einzige Lächeln zu sein, das sie kannte.
»Ich frage mich«, dachte sie laut nach, »was du wohl getan hättest, wenn sie dir tatsächlich befohlen hätten, deine eigene Mutter zu erwürgen?«
Ché runzelte die Stirn. Er versteckte die Garotte in den Falten seines Gewandes und konnte seiner Mutter
nicht in die Augen blicken. »Und ich frage mich, ob du den Sex auch so sehr genossen hättest, wenn du gewusst hättest, dass dein einziger Sohn vor dem Fenster hockt.«
Bei dieser Bemerkung wandte sie sich von ihm ab und zog die Robe enger um sich.
»Du solltest mich halt nicht reizen«, sagte er zu ihrem steifen Rücken.
Sie ging zu einem Tisch und goss Wasser aus einer Karaffe in ein Kristallglas. Einige Orangenscheiben schwammen auf der Oberfläche.
Seine Mutter – auch wenn diese Bezeichnung Ché noch immer gewisse Schwierigkeiten bereitete – war trotz ihres Alters noch immer eine Schönheit. Wenn er richtig gerechnet hatte, war sie einundvierzig, trotz aller lügnerischen gegenteiligen Beteuerungen. Sie glich in keiner Weise jener Frau, an die er sich aus seiner Kindheit erinnern konnte, als er in der reichsten Vorstadt von Q’os ohne alle Sorgen gelebt hatte.
Diese Mutter aus seinen Kindheitserinnerungen hatte es nie gegeben. Und das Leben
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