Farlander - Der Pfad des Kriegers - Buchanan, C: Farlander - Der Pfad des Kriegers - Farlander
Angelegenheit heraus, denn die meisten Insassen durften ungehindert innerhalb der Mauern herumspazieren. Es gab sogar so etwas wie eine Taverne für diejenigen, die das nötige Geld besaßen, und eine Kantine, die besseres Essen als den Haferschleim verkaufte, der draußen im Hof ausgeteilt wurde. Im Großen und Ganzen hielten sich die Wächter – die in der Mehrzahl selbst Gefangene waren – zurück und überließen die übrigen Insassen sich selbst.
Nico suchte sich in einer der Zellen, von denen es viele in dem Labyrinth unter dem Haupthof gab, eine freie Ecke. Er saß auf einer Lage fauligem, von Läusen heimgesuchtem Stroh, und eine einzelne Öllampe über der Tür spendete Licht. Das Stroh stank nach altem Urin, und er sah, wie Kakerlaken darin umherhuschten.
Diese Zelle beherbergte noch andere Diebe und Schuldner, von denen einige so jung wie Nico oder sogar
jünger waren. Seine Mitgefangenen schenkten ihm kaum Aufmerksamkeit; sie kamen und gingen und blieben selten lange im Raum. Dafür war Nico dankbar, der in seiner Ecke hockte und sich um seinen schmerzenden Körper kümmerte. Dabei kreisten seine Gedanken wie dunkle flatternde Vögel, die darauf aus waren, ihn zu quälen. Auch wenn er sich dagegen wehrte, musste er doch immer wieder an sein Zuhause und an seine Mutter denken.
Sie wäre entsetzt, wenn sie je erfahren sollte, was aus ihm geworden war: ein gewöhnlicher Dieb, den man auf frischer Tat ertappt hatte. Sie würde unsagbar wütend auf ihn sein.
Doch seine Mutter war auch nicht gerade unschuldig. Wenn er sich überlegte, wie er in diese missliche Lage geraten war, kam er zu dem Schluss, dass sie dafür ebenfalls verantwortlich war. Sie hatte ihr leeres Leben unbedingt mit einer ganzen Reihe von unpassenden Liebhabern anfüllen müssen. Sie hatte die Feindseligkeiten zwischen Loos und ihrem Sohn absichtlich nicht beachtet, Nico somit aus dem Haus getrieben und letztendlich in die gegenwärtige Situation gebracht.
Loos war nur ein weiterer in der langen Reihe von Mutters schlecht gewählten Liebhabern gewesen. Eines Nachts hatte sie ihn aus der Taverne an der Wegkreuzung mitgebracht. Er hatte in feiner Kleidung gesteckt, die viel zu groß für ihn war – es handelte sich eindeutig um Diebesgut – und das Innere der Hütte betrachtet, als würde er den Wert jedes einzelnen Gegenstandes einschätzen. Es war offensichtlich, dass er sich an jenem
Abend an sie herangemacht hatte. Das Paar hatte es so laut im Schlafzimmer getrieben, dass Nico gezwungen gewesen war, sein Bettzeug hinaus in den Stall zu tragen und bei ihrem alten Pferd Glückel zu schlafen.
Er hasste sie für diese Schwäche, die sie gegenüber Männern zeigte. Er wusste, dass sie ihre Gründe dafür hatte und er sie eigentlich nicht für das verantwortlich machen durfte, was aus Mutter und Sohn geworden war. Aber so war es nun einmal, und er konnte nichts dagegen tun.
Das war der schlimmste Tag in seinem Leben gewesen, und der Rest ging im Schock der Benommenheit unter. Mit dem Einsetzen der Nacht, das in diesem Gefängnis nicht durch das abnehmende Tageslicht, sondern durch das Löschen der Lampen und das Zuschlagen ferner schwerer Türen eingeleitet wurde, nahm der hier herrschende Gestank an Heftigkeit zu; es war ein erstickender Pesthauch, der den Geruch von Menschentieren mitbrachte, die bereits zu lange in ihrem eigenen Schmutz lagen. Es wurde so schlimm, dass sich Nico sein Halstuch um Mund und Nase band. Das half ein wenig, und gelegentlich lehnte er sich zur Seite und hob es leicht an, damit er den fauligen Geschmack ausspucken konnte, der sich immer wieder auf seiner Zunge ansammelte.
Es schien, dass der Waffenstillstand, der tagsüber zwischen den Insassen zu herrschen schien, während der langen Stunden in Schwärze verschwand. In einer anderen Zelle brach ein Kampf aus, Schreie und Buhrufe
waren zu hören und danach das lange, klagende Geheul eines Mannes in großen Schmerzen, das schließlich zu einem Schluchzen wurde und am Ende ganz erstarb. Eine Zeit lang ertönte ein dumpfes Klopfen an der Steinwand hinter ihm, als ob jemand auf der anderen Seite andauernd den Kopf gegen die Wand schlug, während er bei jedem Aufprall gedämpfte Worte rief, die vielleicht lasst mich raus, lasst mich raus bedeuteten.
An einem solchen Ort konnte Nico nicht schlafen. Aber er war müde, erschöpft von den Ereignissen des Tages und dem Gedanken an das, was noch vor ihm lag. Also lag er wach da und lauschte dem Schnarchen seiner
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