Farlander - Der Pfad des Kriegers - Buchanan, C: Farlander - Der Pfad des Kriegers - Farlander
und mit Gardinen aus feinster Spitze behängt.
Um Nicos Füße herum lümmelten sich Eidechsen auf den heißen Schindeln und bedachten ihn mit unheilvollen Blicken aus ihren uralten Augen. Nun übernahm Lena die Führung; ihre Blicke waren rasch und nervös. Sie spähte durch eines der offenen Fenster und duckte sich, als sie von drinnen Stimmen hörte. In der Hocke schlich sie zu einem benachbarten Fenster, warf einen Blick hindurch, schüttelte den Kopf und kroch weiter.
Nico hüpfte von einem Fuß auf den anderen; er konnte die Schmerzen kaum mehr ertragen. Er zog seine Schuhe wieder an und fragte sich bei Erēs, was er mit diesem Mädchen hier machte und ob sie so etwas schon einmal getan hatte. Wenn sie erwischt wurden, riskierten sie, öffentlich ausgepeitscht zu werden.
»Das hier«, flüsterte sie, während sich Nico dem Fenster näherte, das sie ausgewählt hatte. »Hinein mit dir, und durchsuche das Gepäck nach einer Geldbörse.«
Ich? , fragte Nico stumm.
»Ja, du. Du hast bisher nichts anderes getan, als dich zu beschweren.«
»Lena, ich meine es ernst. Lass uns von hier verschwinden, bevor es zu spät ist.«
Ihr Blick wurde noch finsterer. »Willst du heute etwas zu essen haben oder nicht?«, fragte sie.
»Nicht, wenn das bedeutet, dass ich so etwas wie das hier tun muss. Mach, was du willst. Ich gehe jetzt.«
Als er sich umdrehte, packte sie ihn am Arm.
»Ich meine es ernst«, zischte sie. »Wenn wir das hier nicht durchziehen, gehe ich zum Hafen. Dann ist mir alles egal. Ich will nicht verhungern wie dein Hund.«
Ihre Worte und ihr Griff übten einen unwiderstehlichen Zwang auf ihn aus. Sein Magen knurrte und drängte ihn voran. Er nickte benommen.
Sie ließ ihn los und machte eine Räuberleiter. Er wusste kaum, was er tat, als er mit zusammengebissenen Zähnen hochkletterte.
Ungeschickt schlüpfte er durch die wehenden Spitzenvorhänge und versuchte, sich so leise wie möglich zu verhalten. Er zitterte am ganzen Körper, und der gekalkte Sims fühlte sich warm unter seinen Handflächen an. Drinnen ließ er sich auf den steinernen Fußboden hinunter. Leise richtete er sich auf – und erstarrte.
Auf dem Bett lag eine Gestalt in einer dunklen Robe.
Nicos Kehle machte einen beinahe erfolgreichen Versuch, sich selbst zu strangulieren. Sein Herz schien einen solchen Aufruhr zu verursachen, dass es niemandem in Hörweite entgehen konnte. Doch die Gestalt schlief. Die Brust des Mannes hob und senkte sich in einem flachen, regelmäßigen Rhythmus.
Die Haut des Mannes war tiefschwarz. Ein Farlander, schloss Nico – ein alter Farlander mit kahlem Kopf und einem harten, hageren Gesicht mit scharfen, gleichsam
eingeätzten Linien. Auf den Wangen glänzte etwas hell in einem Sonnenstrahl, der durch die schwankenden Vorhänge hereinfiel.
Er weint im Schlaf , erkannte Nico.
Lena sah ihn vom Fenster aus an. Es gab keine Möglichkeit, an diesem Gesicht vorbeizukommen. Nico unterdrückte seine Ängste und ein plötzlich aufkommendes Schuldgefühl. Er ballte die schwitzenden Hände zu Fäusten und stahl sich quer durch das Zimmer bis dorthin, wo ein Stuhl stand. Er war aus knorrigem Triebholz geschnitzt, und auf ihm lag ein lederner Rucksack. Nico griff danach, ohne einen Laut zu verursachen. Hinter dem Fenster bleckte Lena die Zähne und bedeutete ihm durch eine flatternde Handbewegung, sich zu beeilen.
Es war eine schwierige und schweißtreibende Angelegenheit, den ledernen Rucksack zu durchwühlen. Nicos Hände bewegten sich unbeholfen, und Schweiß brannte in seinen Augen. Einen Moment lang hörte er Stimmen draußen vor dem Zimmer, und einige Dielenbretter knarrten, als jemand an der Tür vorbeiging. Das trieb ihn zu noch größerer Schnelligkeit an, bis er endlich eine Geldbörse gefunden hatte, die schwer und fett vor lauter Münzen war.
Lena machte wieder eine rasche Handbewegung. Der alte Mann schlief noch immer.
Nico wollte gerade den Raum verlassen, als er bemerkte, dass an demselben Stuhl etwas hing. Es war so etwas wie ein Halsband, allerdings keines von diesen schön gemachten mit Juwelen oder Silber daran. Das hier war eindeutig hässlich; der Anhänger wirkte wie
eine große, ledrige Nuss und war mit etwas überzogen, das wie getrocknetes Blut aussah.
Ein Siegel , begriff Nico. Dieser alte Mann trägt ein Siegel .
Wie aus eigenem Antrieb streckte sich seine Hand nach dem Anhänger aus. Hinter ihm ächzte der alte Mann plötzlich. Nico beherrschte sich gerade noch rechtzeitig und
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