Farlander - Der Pfad des Kriegers - Buchanan, C: Farlander - Der Pfad des Kriegers - Farlander
du im Einklang mit allen Dingen. Das ist es, was der Große Narr uns lehrt.«
Nico versuchte, das zu tun, was ihm der alte Mann aufgetragen hatte. Es war wie der Versuch, mit drei Bällen gleichzeitig zu jonglieren. Zum einen musste er die Strömungen seines Atems verfolgen, zum anderen den Rücken durchgedrückt halten und schließlich den Blick starr auf einen Splitter in der Reling vor ihm richten. Andauernd vergaß er, auf alles gleichzeitig zu achten, und er wurde immer frustrierter. Die Zeit schien sich auszudehnen, und bald konnte er nicht mehr sagen, ob er erst seit wenigen Augenblicken oder schon seit Stunden hier saß.
Je mehr er versuchte, still zu sein, desto mehr wollte sein Geist ein Schwätzchen halten. Es juckte ihm im Gesicht, der durchgedrückte Rücken tat weh, und die Knie pochten vor Schmerz. Es hätte auch eine Art von Folter sein können, und nach einer Weile beschäftigte er seinen Geist absichtlich mit anderen Gedanken. Er dachte darüber nach, wohin das Schiff unterwegs war, was es zum Abendessen geben mochte, und was ihn sonst noch von seiner unbequemen Lage ablenken konnte.
Es schienen mehrere Stunden vergangen zu sein, als eine Glocke ertönte und das Ende der Stunde anzeigte.
Asch erhob sich unter einem leisen Rascheln seiner
Robe. Diesmal war es der alte Mann, der Nico auf die Beine half.
»Wie fühlst du dich?«
Er entschied sich, nicht das zu sagen, was ihm als Erstes in den Sinn kam. »Ruhig«, log er. »Sehr still.«
Die Augen des alten Farlanders leuchteten vor Belustigung.
Später an jenem Tag stieg das Schiff mehrere hundert Fuß ab in der Hoffnung, eine bessere Luftströmung zu finden, und tatsächlich erwischten sie bald eine schnelle Brise, die in nordwestlicher Richtung blies. Auf dem erhöhten Achterdeck flatterte dem Kapitän das geölte schwarze Haar über die eine Seite des Kopfes, als er den Befehl brüllte, die Heckflügel einzuholen und die Hauptflügel auszubreiten. Unter seiner tiefen Stimme eilten die Männer in die Takelage, noch bevor er zu Ende gesprochen hatte. Käpt’n Graber war ein großer Mann von etwa dreißig Jahren, sauber rasiert und unglaublich hager. Seine knochigen weißen Hände ruhten in den Taschen eines graublauen Marinemantels ohne sichtbare Rangabzeichen. Vielleicht war das eine Affektiertheit, vielleicht auch die Andeutung einer früheren Karriere bei der Marine, denn jetzt befehligte er nur noch ein Handelsschiff, wenn auch ein ziemlich bemerkenswertes. Sein eines gutes Auge spähte nach oben zu dem Gasballon, der sie in der Luft hielt und sich an der Windseite unablässig kräuselte, während auf der Schulter des Kapitäns sein Kerido saß und ihm ins Ohr schnatterte,
als ob er sich mit dem Mann unterhielte. Der Kerido verlagerte sein Gewicht vom einen Bein auf das andere, als dies zur gleichen Zeit auch sein Herr tat. Die Falke drehte sich wie ein Fisch und zappelte in die Strömung hinein. Das Deck kippte, als sie umschwenkte und noch immer an Höhe verlor.
Nico packte die Reling mit Fingern, die immer weißer wurden. Ängstlich lauschte er auf das Knarren der hölzernen Verstrebungen über seinem Kopf, die das eigentliche Schiff mit dem Ballon verbanden. Die großen gebogenen Hauptruder zu beiden Seiten des Ballons hatten den Wind jetzt voll erfasst. Ein Mitglied der Mannschaft beobachtete ein sich drehendes Instrument neben dem Steuerrad und rief die Geschwindigkeit, als das Schiff voranschoss.
Endlich verließen sie die Freien Häfen.
An jenem Abend speisten sie mit dem Käpt’n in seiner stattlichen Kajüte unter dem Achterdeck; es war ein niedriger, großer Raum, der die ganze Breite des Schiffes einnahm. Fenster durchbrachen die rückwärtige Wand; ihre dicken, wässrigen Scheiben waren durch überkreuzte Bleistege in Rauten unterteilt, von denen einige in durchscheinendem Grün oder Gelb eingefärbt waren. Hinter ihnen verschmolz der Horizont mit den Wolken, die von dem sinkenden Sonnenball erhellt wurden.
Das Essen war eine gesunde Angelegenheit aus Reissuppe, Bratkartoffeln, grünem Gemüse, geräuchertem Wild und Wein. Die Gänge wurden in knochenweißer Töpferware serviert, die sehr zart und bestimmt auch sehr wertvoll war. Jedes einzelne Stück war mit dem
Motiv eines fliegenden Falken geschmückt. Nico vermutete, dass es sich um ein Geschenk an den Kapitän handelte.
Es wurde nur wenig gesprochen, als alle über das dampfende Essen herfielen. Asch und der Kapitän aßen mit der Hingabe von Männern, die alles
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