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Farmer, Philip José - Flusswelt 02

Farmer, Philip José - Flusswelt 02

Titel: Farmer, Philip José - Flusswelt 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Auf dem Zeitstrom
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nichts anderes tun können, als sich Sam anzuschließen oder sich wieder fortzuscheren.
    Aber immerhin: Selbst ein Wesen, das über solche Kräfte verfügte wie der unbekannte Renegat, konnte kaum dazu fähig sein, die Absturzstelle eines hunderttausend Tonnen wiegenden Eisen-Nickel-Meteors genau vorherzubestimmen. Offenbar hatte der Fremde angenommen, daß der Meteor genau am richtigen Fleck niedergegangen war, denn vor seinem Verschwinden hatte er Sam noch erzählt, daß die restlichen Mineralien, die er benötigte, sich in einer Entfernung von nicht mehr als sieben Meilen befänden. Aber er hatte sich geirrt, was Sam gleichzeitig wütend und glücklich machte. Wütend war er gewesen, weil die Mineralien nun doch außerhalb seiner Reichweite lagen; und glücklich fühlte er sich deswegen, weil ihm allmählich aufging, daß auch die Ethiker nicht unfehlbar waren.
    Aber auch diese Erkenntnis würde den Menschen, die für ewig zwischen zwanzigtausend Fuß hohen Bergwänden in einem kaum mehr als neun Meilen breiten Tal gefangengehalten wurden, nicht weiterhelfen. Sie würden weiterhin hier ihre Tage fristen – es sei denn, es gelang Samuel Langhorne Clemens, sein geplantes Schiff fertigzustellen.
    Sam trat an einen aus Pinienholz gefertigten Schrank, öffnete eine seiner Türen und entnahm ihm eine undurchsichtige gläserne Flasche, die etwa zwanzig Unzen reinsten Bourbons enthielt, der von Leuten stammte, die selbst nicht tranken. Er kippte sich drei Unzen rein, leckte sich die Lippen, stöhnte wohlig und strich sich zufrieden über den Magen. Ha! Es gab überhaupt nichts Besseres, um einen neuen Tag anzufangen, besonders dann, wenn man gerade aus einem Alptraum erwachte, den sogar der Ungeheure Traumzensor als unzumutbar zurückgewiesen hätte. Vorausgesetzt natürlich, der Ungeheure Traumzensor hegte irgendwelche Sympathien für den beliebten Traumerzeuger Sam Clemens. Vielleicht mochte ihn der Ungeheure Traumzensor auch überhaupt nicht. Es sah überhaupt so aus, als würden nur sehr wenige Leute ihn wirklich lieben. Und das lag daran, daß er, solange er den Bau des Schiffs vorantrieb, hin und wieder Dinge tun mußte, die ihm selbst nicht gefielen.
    Und dann war da noch Livy, die auf der Erde fünfunddreißig Jahre lang seine Frau gewesen war.
    Sam fluchte, rupfte an einem imaginären Schnauzbart, griff erneut in den Schrank und nahm die Flasche ein zweitesmal heraus. Er schluckte. In seinen Augen waren plötzlich Tränen; und er wußte nicht, ob sie das scharfe Getränk oder der Gedanke an Livy hervorgerufen hatte. Es war nicht unwahrscheinlich in dieser Welt der komplexen Zwänge und geheimnisvoller Vorgänge – und Treibkräfte –, daß es ein wenig an beidem gleichzeitig lag, zuzüglich einiger anderer Faktoren, die aufzuzählen ihn sein momentan bereits angeschlagenes Kleinhirn hinderte. Es würde abwarten, bis sein Großhirn auf der Strecke blieb, dann die intellektuellen Windungen anfallen und die Rückstände des ersteren in die Knie zwingen.
    Sam ging an den Bambusmatten vorbei und warf einen Blick aus einem anderen Fenster. Unter ihm, etwa zweihundert Yards entfernt, lag unter den weitgestreckten Ästen eines Eisenbaumes eine runde, konisch zulaufende Hütte mit zwei Räumen, in deren Schlafzimmer sich jetzt wahrscheinlich Olivia Langdon Clemens – seine Frau! – seine Ex-Frau – und der große, hagere Savinien de Cyrano II de Bergerac, spitznasiger Raufbold und Degenfechter, Freigeist mit sensiblem Kinn, Saufaus und Literat das Bett teilten.
    »Livy, wie konntest du mir das nur antun?« sagte Sam, übermannt von Selbstmitleid. »Wie konntest du nur so mein Herz brechen, das die Liebe deiner Jugend war?«
    Ein Jahr war nun vergangen, seit sie überraschend an der Seite Cyrano de Bergeracs aufgetaucht war. Er war natürlich schockiert gewesen, und das mehr, als je zuvor in seinem zweiundsiebzig Jahre währenden Erdenleben und dem sich daran anschließenden neunundzwanzigjährigen auf der Flußwelt. Aber er war darüber hinweggekommen, das heißt, beinahe wäre es dazu gekommen, hätte er nicht bald darauf einen zweiten Schock erlitten, wenngleich dieser auch geringerer Natur gewesen war: Nichts würde den ersten jemals übertreffen können. Immerhin, er hatte erkannt, daß es Livy unmöglich gewesen sein mußte, einundzwanzig Jahre ohne einen Mann zu verbringen, schon gar nicht, wenn sie plötzlich wieder jung und hübsch und begehrenswert war und keine Hoffnung darauf bestand, daß sie ihn jemals

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