Farmer, Philip Jose - Flusswelt 03
lang wie verrückte Nerze gepaart hatten.
Ich kam zu dem Schluß, daß es jetzt an der Zeit sei, meine Horchposten aufzugeben. Ich stand auf und schlenderte zum Fockmast hinüber, wo Abigail Rice und Nur sich unterhielten. Mustapha ist offenbar nie auf den Gedanken gekommen, daß ich den anderen zugehört hatte.
Aber seit diesem Tag stelle ich mir Fragen. Wer ist jener er, über den sie sprachen? Es scheint mir offensichtlich zu sein, daß er einer von jenen ist, die diese Welt für uns erschufen und uns von den Toten wiederauferstehen ließen. Kann das wirklich sein? Dieser Gedanke erschien mir nicht nur ungeheuerlich, sondern auch schwer zu verdauen. Und doch – jemand muß für all dies verantwortlich sein. Und sie müssen über wahrhaft gottähnliche Fähigkeiten verfügen.
Wenn Rider die Wahrheit spricht, gibt es wirklich einen Turm im Inneren des Polarsees. Und dann muß dieser Turm auch eine Basis derjenigen sein, die diese Welt erschufen – unsere geheimen Herren. Ja, ich weiß, daß sich das alles geradezu paranoid anhört – oder wie eine Science Fiction-Geschichte, von denen ja wohl die meisten paranoid sind. Aber abgesehen von den wirklich wenigen, die damit reich wurden, wußten alle anderen Science Fiction-Autoren, daß ihre geheimen (oder auch nicht geheimen) Herren die Verleger waren. Selbst die Reichgewordenen mußten um ihre Tantiemenabrechnungen betteln. Vielleicht wird der Turm von einer Bande Superverlegern bewohnt. (Nur ‘n Witz, Bob! Glaube ich wenigstens.)
Vielleicht lügt Rider. Oder sein Informant Paheri war ein Lügner. Ich kann allerdings nicht daran glauben. Es ist offensichtlich, daß Rider und Farrington einem dieser Leute begegnet sind. Ich kann mir nicht vorstellen, daß sie sich diese Geschichte nur ausgedacht haben, um einen Lauscher zu verarschen.
Oder vielleicht doch?
Da fragt man sich wirklich, wo die Paranoia anfängt.
Nein, sie haben etwas diskutiert, das ihnen wirklich passiert ist. Wenn sie unvorsichtig gehandelt, die Verbindungstüre offengelassen und ohne Geheimniskrämerei darüber gesprochen hatten, war das nur zu natürlich. Wer würde nach all diesen Jahren nicht sorglos werden? Und weiter: Warum sollten es dann nicht auch andere erfahren?
Irgend jemand mag nach ihnen suchen. Wer? Warum?
In meinem Gehirn wirbelt alles durcheinander. So viele Spekulationen, so viele Möglichkeiten. Und ich denke: Mann, was für eine Geschichte! Schade, daß ich nicht auf diese Idee gekommen bin, als ich noch aktiv Science Fiction schrieb, aber das Konzept eines Planeten, der aus einem viele Millionen Kilometer langen Fluß besteht, an dessen Ufern jeder Mensch, der jemals gelebt hat, wiedererweckt wird (jedenfalls ein großer Teil von ihnen), wäre einfach zu gewaltig, um in ein einziges Buch zu passen. Um der ganzen Sache gerecht zu werden, müßte man sie in mindestens zwölf Bände packen. Ich bin froh, niemals auf diesen Gedanken gekommen zu sein.
Was soll ich angesichts dieser Entwicklungen tun? Diesen Brief aufgeben oder zerreißen? Er würde dich ja sowieso niemals erreichen, dafür gibt’s nicht die geringste Chance. Aber vielleicht jemand anderen?
Vielleicht findet ihn jemand, der nicht einmal Englisch lesen kann.
Warum mache ich mir eigentlich Sorgen darüber, daß er in die falschen Hände geraten könnte? Ich weiß es wirklich nicht. Aber unter der Oberfläche des scheinbar so einfachen Lebens in diesem Tal findet ein finsterer, geheimer Kampf statt, und ich habe die Absicht, herauszufinden um was es dabei geht. Ich werde vorsichtig zu Werke gehen müssen. Der kleine Mann in meinem Ohr sagt mir, daß es besser wäre, jetzt das Weite zu suchen, wenn ich von alldem lieber nichts wissen wollte.
Wer ist also der wirkliche Empfänger dieser meiner Botschaften? Möglicherweise ich selbst, obwohl ich hoffnungslos hoffe, daß es gerade die Unmöglichkeit möglich machen wird und einer davon in die Hände eines Menschen gelangt, den ich kannte, liebte oder zumindest schätzte.
Und doch starre ich genau in diesem Moment über den Fluß auf die vielen Leute, die sich am Ufer versammelt haben, und sehe vielleicht genau den, für den ich alle diese Briefe geschrieben habe. Aber das Schiff hält sich jetzt in der Flußmitte auf, und ich bin zu weit von ihnen entfernt, um jemanden ausfindig zu machen, den ich vielleicht erkennen sollte.
Großer Gott – all die Gesichter, die ich in diesen zwanzig Jahren gesehen habe! Millionen! Weit mehr als auf der Erde. Manche davon
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