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Farmer, Philip José - Flusswelt 04

Farmer, Philip José - Flusswelt 04

Titel: Farmer, Philip José - Flusswelt 04 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Das magische Labyrinth
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nicht leicht in Ehrfurcht und Erstaunen zu versetzen. Außerdem hatten seine Erfahrungen mit den Großen und etwas weniger Großen zweier Welten ihm klargemacht, daß das öffentliche Image, das solche Personen genossen, nur in den wenigsten Fällen mit ihrer wahren Natur korrespondierte.
    Derjenige, der ihn auf der Flußwelt am meisten beeindruckte, war ein Mann, der auf der Erde nicht nur ein absoluter Niemand gewesen wäre, sondern den die meisten Leute auch für einen kompletten Versager gehalten hätten: Jacques Gillot, La Viro, La Fondito. Wer ihn allerdings während seiner irdischen Existenz am meisten in Ehrfurcht versetzt, ja, ihn sogar hatte überwältigen und kraft seiner starken Persönlichkeit versklaven können, war Adolf Hitler gewesen. Nur einmal während der langen Zeit, die er seinen Führer gekannt hatte, war er gegen ihn aufgestanden – wegen einer falschen Entscheidung. Hitler hatte ihn fertiggemacht. Wenn er sich jetzt, nach all den Jahren auf der Flußwelt – und ausgestattet mit dem Wissen, dem er als Chancist teilhaftig geworden war –, daran zurückerinnerte, empfand er für diesen Irren überhaupt keinen Respekt mehr. Ebenso wenig konnte er den Göring jener Tage ernst nehmen, und tatsächlich verachtete er ihn sogar.
    Er sah sich allerdings nicht mit einem solchen Selbsthaß, daß es keine Möglichkeit mehr gab, gerettet zu werden. Wer einen solchen Standpunkt einnahm, begab sich in eine besondere Klasse – in die derjenigen, die auf ihre Verbrechen stolz waren, sie als reine Hybris ansahen und eine darauf basierende Form von Selbstgerechtigkeit entwickelten.
    Es gab allerdings auch die Gefahr, daß man einen solchen Stolz kultivierte, weil man ihn nicht besaß. Daß man stolz darauf wurde, niedrig zu sein.
    Dies war eine typische Sünde der Christen, aber es gab sie auch in einigen anderen Religionen. La Viro, der während seines irdischen Lebens ein durch und durch unterwürfiger Katholik gewesen war, hatte von der Existenz einer solchen Sünde nicht einmal etwas gewußt. Sein Priester hatte sie während seiner langen, einschläfernden Predigten nie erwähnt, und so hatte Gillot davon erst nach seiner Ankunft auf diesem Planeten davon erfahren.
    Obwohl Göring vor dem Ende des Krieges erkannt hatte, daß Hitler verrückt war, hatte er weiterhin zu ihm gehalten. Loyalität war eine seiner Tugenden, und sie war in ihm so fest verankert, daß sie sich gegen alle Vernunft durchsetzte. Im Gegensatz zu den meisten anderen, die man während der Nürnberger Prozesse abgeurteilt hatte, war Göring nicht dazu bereit gewesen, seinen Führer zu verleugnen und gegen ihn auszusagen.
    Nun wünschte er sich, daß er damals den Mut zum Aufstehen gehabt hätte.
    Eine solche Tat hätte seinen Abstieg nur beschleunigt und möglicherweise mit seinem Tod geendet. Wenn man ihm noch einmal die Möglichkeit geben würde…
    Aber wie La Viro gesagt hatte: »Du kannst es heute tun, jeden Tag. Nur die Umstände haben sich geändert, das ist alles.«
    Die dritte Person, die einen großen Eindruck auf ihn gemacht hatte, war Richard Francis Burton. Göring zweifelte nicht daran, daß Burton, wäre er an seiner Stelle gewesen, zu Hitler »Nein!« oder »Sie sind im Irrtum!« gesagt hätte. Aber wie war es ihm dann gelungen, in all diesen Jahren nicht über Bord geworfen zu werden? König John war ein Tyrann. Er war zudem arrogant und ließ andere Meinungen nicht gelten.
    Hatte John sich geändert? Hatte Burton sich geändert? Waren die Veränderungen so groß, daß die beiden ohne Schwierigkeiten miteinander auskommen konnten?
    John sagte: »Dort drüben, an dem Pokertisch, sitzen die sieben Piloten meiner Luftwaffe. Kommen Sie, ich stelle sie Ihnen vor.«
    Göring war überrascht, als Werner Voss aufstand und ihm die Hand schüttelte. Er hatte ihn einmal getroffen, aber Voss erkannte ihn offenbar nicht wieder.
    Obwohl Göring ein ausgezeichneter Pilot gewesen war, mußte er doch offen zugeben, daß er an Voss nicht herankam. Er hatte seine beiden ersten Luftsiege – gegen zwei alliierte Maschinen – im November 1916 davongetragen. Am 23. September 1917, kurz nach seinem zwanzigsten Geburtstag, war er nach einem Einzelkampf gegen sieben der besten britischen Piloten abgeschossen worden. In weniger als einem Jahr hatte er bei Feindeinsätzen achtundvierzig Maschinen vom Himmel geholt: Genug, daß er in der Kaiserlichen Luftwaffe den vierten Platz einnehmen konnte. Und in dieser kurzen Zeit hatte man ihn noch des

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