Farmer, Philip José - Flusswelt 05
immer«, erwiderte Burton. Er war jedoch nicht so zuversichtlich, wie er sich gab.
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Auf der möglicherweise für immer weit in Zeit und Raum verlorenen Erde war im Jahr 1880 n. Chr. in London, England, ein privat verlegtes Buch erschienen. Es trug den Titel Die Kasidah von Häji Abdu El-Yezdi - »Eine Laienschrift des Höheren Gesetzes«.- Übersetzt und mit Anmerkungen versehen von seinem Freund und Schüler F. B. Die Initialen standen für Frank Baker, ein Pseudonym von Captain Richard Francis Burton. Frank war seinem zweiten Vornamen entlehnt; Baker war der Mädchenname seiner Mutter. Erst nach seinem Tod erschien ein Nachdruck unter seinem wirklichen Namen.
Das Gedicht, in Distichen gehalten, die die klassische arabische Form imitierten, sollte angeblich das Werk eines persischen Sufis sein, Haji* Abdu aus der Stadt Yezdi. Haji war ein Titel, den jeder Moslem trug, der eine Pilgerreise nach Mekka durchgeführt hatte. Auch Burton, der - als Moslem verkleidet - eine Pilgerfahrt gemacht hatte, konnte sich Haji nennen. In dieses Gedicht ließ Burton seine ganze Weisheit strömen, seinen Pessimismus, sein unermeßliches Wissen, seinen Agnostizismus, die burtonsche Weltsicht und den burtonschen Weltschmerz. Als Frank Baker hatte er das von »Abdu« verfaßte Gedicht mit Anmerkungen versehen und ein Nachwort geschrieben, das ein etwas zynisches und spöttisches Bild seiner selbst gab. Der Spott war jedoch ein trauriger.
Das Vorwort faßte seine Philosophie zusammen, die nach neunundfünfzig Wanderjahren über den einzigen Planeten entstanden waren, den er jemals sehen würde - dies glaubte er zumindest zu jener Zeit.
(Frigates Kommentar zu dieser Behauptung war, daß sie ihm vertretbar erschien. Wenn Burton jedoch meinte, daß Einzelmenschen ein gleicher Anteil an Glück und Elend zufiel, dann irrte er sich. Einige Menschen ächzten unter einer großen Last des Elends und kannten wenig Glück, das ihr Leid erleichtern konnte. Andere hatten weit mehr als ihren Anteil am Glück. Überhaupt hatte Burton nicht definiert, was er mit Glück und Elend meinte [obwohl er sich dies beim Elend natürlich sparen konnte]. Jeder wußte, was Elend war. Aber was war Glück? Das bloße Nichtvorhandensein von Schmerz und Sorgen? Oder eine positive Eigenschaft? War Zufriedenheit Glück? Oder mußte man sich freuen, um glücklich zu sein?)
Er betreibt eine Selbst-Veredlung, unter gebührender Berücksichtigung anderer Menschen; sie ist der einzige und hinreichende Zweck des Lebens.
(Was ist mit deinen Kindern? hatte Alice gefragt. Man muß sie noch mehr veredeln als sich selbst, damit sie besser, glücklicher und dem Leben angepaßter sind als man selbst. Jede Generation sollte eine Verbesserung der vorhergehenden sein. Ich gestehe jedoch ein, daß dies nur selten der Fall ist. Vielleicht hast du recht damit, daß man seine Kinder nicht ordentlich veredeln kann, wenn man sich selbst nicht ordentlich veredelt hat. Aber du hast keine Kinder gehabt, nicht wahr?)
(Selbstveredlung ist ein bedeutendes und lebenswichtiges Prinzip, hatte Nur gesagt. Wir Sufis betonen sie und vergessen niemals, daß sie Selbstdisziplin, Hingabe und Intelligenz erfordert. Aber die meisten Menschen treiben sie bis zum Äußersten und machen aus der Selbstveredlung eine Selbsterhöhung. Dies ist nicht überraschend. Die Menschheit betreibt die Dinge immer bis zum Übermaß. Die meisten Menschen jedenfalls.)
Er schlägt vor, daß die Liebe, die Zuneigung und die >göttliche Gabe des Mitgefühls< des Menschen höchster Genuß sind.
(Ein Quäntchen Mitgefühl ist die Würze in der Suppe des Lebens, sagte Nur. Zu viel verdirbt sie. Mitleid kann schnell zu Sentimentalität und Gefühlsduselei führen.)
(Mitleid erzeugt ein Gefühl der Überlegenheit, hatte Frigate gesagt. Es führt auch zu Selbstmitleid. Nicht, daß ich das Selbstmitleid heruntermachen will. Im Selbstmitleid kann eine ganz exquisite Freude liegen, wenn man es nur dann und wann und hier und dort einfließen läßt und schließlich über sich selbst lacht.)
(Du hast den Sex vergessen, hatte Aphra Behn gesagt. Obwohl ich annehme, daß Sex ein Teil der Liebe und Zuneigung ist.) (Etwas zu schaffen, ein Bild, ein Gedicht, Musik, ein Buch, eine Statue, ein Möbelstück, ein Kind, ein Kind anständig aufzuziehen, das sind die höchsten Freuden eines Mannes - und einer Frau, hatte Frigate hinzugefügt. Obwohl man auch viel zur Erschaffung von unverfälschtem, glitzerndem Scheißdreck sagen
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