Fast geschenkt
einem Handtuch.
»Mrs. Sherman hat also einen Sohn?«, fragt sie nach, als sie meine Haare zurückbindet.
»Ja.« Überrascht sehe ich zu ihr auf. »Hat sie ihn denn nie erwähnt?«
»Nicht dass ich wüsste. Und sie kommt schon seit Jahren hierher...« Sie zuckt mit den Schultern. »Ich bin wohl immer davon ausgegangen, dass sie keine Kinder hat.«
»Aha.« Ich lege mich wieder flach hin, um das Ausmaß meiner Überraschung zu verbergen.
Als ich eine Stunde später den Behandlungsraum verlasse, fühle ich mich wie neugeboren. Ich habe neue Augenbrauen, glatte, weiche Beine und strahle dank Aromatherapie-Massage entspannt über das ganze Gesicht.
Elinor wartet schon auf mich, und als ich den Eingangsbereich betrete, lässt sie den Blick langsam von oben nach unten über mich schweifen. Den Bruchteil einer Sekunde lang fürchte ich, dass sie mich bitten wird, den Cardigan auszuziehen, damit sie fühlen kann, wie glatt und weich meine Arme sind - aber sie sagt nur: »Ihre Augenbrauen sehen jetzt viel besser aus.« Dann dreht sie sich um, geht hinaus und ich renne hinter ihr her.
Als wir wieder im Wagen sitzen, frage ich: »Wo essen wir zu Mittag?«
»Nina Heywood veranstaltet einen kleinen informellen Wohltätigkeitslunch zu Gunsten der Welthungerhilfe«, antwortet sie und inspiziert einen ihrer perfekten Fingernägel. »Kennen Sie die Heywoods? Oder die van Gelders?«
Natürlich kenne ich niemanden davon.
»Nein«, höre ich mich antworten. »Aber ich kenne die Websters.«
»Die Websters?« Sie zieht ihre akkurat geformten Augenbrauen hoch. »Die Websters aus Newport?«
»Die Websters aus Oxshott. Janice und Martin.« Ich sehe sie unschuldig an. »Kennen Sie sie?«
»Nein«, sagt Elinor und bedenkt mich mit einem frostigen Blick. »Ich glaube nicht.«
Den Rest der Fahrt schweigen wir. Dann hält der Wagen, wir steigen aus und betreten das imposanteste und größte Foyer, das ich je gesehen habe - mit uniformiertem Portier und Spiegeln und allem. Ein Mann mit Schirmmütze begleitet uns in einem vergoldeten Aufzug achtundzwanzigtausend Stockwerke nach oben, wo wir letztlich eine Wohnung betreten, die mir absolut die Sprache verschlägt.
Die Wohnung ist nicht nur riesengroß, sondern zeichnet sich darüber hinaus auch noch durch edlen Marmorfußboden, eine doppelte geschwungene Treppe in die obere Etage und einen auf einem Podest stehenden Flügel aus. An den mit blasser Seidentapete bedeckten Wänden hängen Gemälde in wuchtigen Goldrahmen, und überall im Raum verteilt stehen Sockel mit den üppigsten Blumengestecken, die ich je gesehen habe. Spindeldürre Damen in teuren Kleidern unterhalten sich angeregt miteinander und Kellnerinnen reichen Champagner, während ein Mädchen in einem geblümten Kleid Harfe spielt.
Und das soll ein kleiner Wohltätigkeitslunch sein?
Die Gastgeberin Mrs. Heywood ist eine winzige Person in Pink, die mir gerade die Hand schütteln will, als sie durch die Ankunft einer Frau mit reich geschmücktem Turban abgelenkt wird. Elinor stellt mich einer Mrs. Parker vor, einem Mr. Wunsch und einer Miss Kutomi, bevor sie mich allein lässt. Ich tue wirklich mein Bestes, um hier geistreiche Konversation zu betreiben, obwohl es mich leicht irritiert, dass alle davon ausgehen, ich sei eine gute Freundin von Prinz William.
»Nun erzählen Sie doch bitte«, drängt Mrs. Parker. »Wie geht der junge Mann denn nun mit diesem... enormen Verlust um?«, flüstert sie.
»Der Junge strahlt eine so natürliche Würde aus«, ereifert Mr. Wunsch sich. »Von dem könnten die jungen Leute heute eine Menge lernen. Sagen Sie, was hat er denn nun eigentlich vor? Will er zum Militär?«
»Das... davon hat er gar nicht geredet«, sage ich hilflos. »Wenn Sie mich bitte entschuldigen würden.«
Ich flüchte auf die Gästetoilette - und die ist genauso geräumig und luxuriös wie der Rest der Wohnung: Man kann sich an diversen Edelseifen und verschiedenen Parfumflaschen bedienen, und ein bequemer Sessel steht da auch. Am liebsten würde ich den Rest des Tages hier verbringen. Aber ich wage nicht, zu lange hier zu bleiben, da ich fürchte, Elinor wird mich irgendwann suchen. Noch ein letzter Spritzer Eternity, dann zwinge ich mich aufzustehen und mich wieder unters Volk zu mischen. Die Kellner laufen unauffällig hin und her und verkünden leise, dass in Kürze serviert wird.
Alles bewegt sich auf eine große Doppeltür zu und ich sehe mich suchend nach Elinor um. Vergebens. Ganz in meiner Nähe sitzt
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