Fast geschenkt
mich und trinke Sekt. Eigentlich gar nicht schlecht. Ist doch viel einfacher, als wenn ich selbst den ganzen Laden abklappern müsste. Aus dem benachbarten Umkleideraum höre ich, wie sich jemand murmelnd unterhält - bis auf einmal eine Frau aufgeregt ruft: »Dem zeige ich es, diesem Arschloch. Dem zeige ich es!«
»Ja, natürlich zeigen Sie es ihm, Marcia«, entgegnet eine ruhige Stimme, die, glaube ich, der Frau mit der Hornbrille gehört. »Natürlich. Aber nicht in einem kirschroten Hosenanzug.«
»Okaaaay!« Erin ist zurück und schiebt einen voll behängten Kleiderständer auf Rollen herein. Ich beäuge schnell ihre Auswahl und stelle fest, dass ich einige dieser Dinge bereits selbst herausgesucht hatte. Aber was ist mit dem knielangen Rock? Und wo ist der tolle auberginefarbene Hosenanzug mit dem Samtkragen?
»Hier, wenn Sie diesen Blazer anprobieren möchten... und den Rock...«
Ich nehme ihr die beidenTeile ab und betrachte den Rock mit einer gewissen Skepsis. Ich weiß genau, dass er zu kurz ist. Aber gut, sie ist die Expertin... Ich ziehe mir schnell den Blazer und den Rock an und stelle mich dann vor einen Spiegel direkt neben Erin.
»Der Blazer ist ein Traum«, schwärme ich. »Passt wie angegossen. Der Schnitt ist einfach klasse.«
Zum Rock möchte ich lieber nichts sagen. Schließlich möchte ich nicht ihre Gefühle verletzen - aber der sieht wirklich blöd aus.
»Dann wollen wir mal sehen.« Erin legt den Kopf zur Seite und betrachtet mich im Spiegel. »Ich glaube, ein knielanger Rock würde doch besser aussehen.«
»Der, von dem ich schon gesprochen hatte«, sage ich erleichtert. »Der ist im siebten Stock, direkt neben -«
»Mag schon sein.« Sie lächelt. »Aber ich hatte an ein paar andere Röcke gedacht...«
»Oder der von Dolce & Gabbana im dritten Stock«, schlage ich vor. »Den habe ich mir vorhin schon angesehen. Oder der von DKNY.«
»DKNY?« Erin runzelt die Stirn. »Ich glaube nicht...«
»Die sind gerade neu reingekommen«, kläre ich sie auf. »Ich glaube, gestern. Die sind so hübsch. Sollten Sie sich mal ansehen.« Ich drehe mich zu ihr um und betrachte ihr Outfit. »Wissen Sie was? Der malvenfarbene Rock von DKNY würde super zu dem Stehkragentop passen, das Sie anhaben. Und dann noch die neuen Stephane-Kelian-Stiefel dazu, die mit den spitzen Absätzen. Wissen Sie, welche ich meine?« )
»Ich weiß, welche Sie meinen«, erwidert Erin hölzern. »Die aus Krokodil- und Wildleder.«
Überrascht sehe ich sie an.
»Nein, nicht die! Die aus der neuen Kollektion. Mit der Naht hinten. Die sind so toll! Die würden eigentlich ziemlich gut zu dem knielangen Rock passen...«
»Danke!«, unterbricht Erin mich ungehalten. »Ich werde es mir merken.«
Mein Gott. Wieso regt sie sich denn jetzt so auf? Ich will ihr doch nur helfen. Man sollte meinen, sie würde sich darüber freuen, dass ich mich so für ihren Laden interessiere!
Obwohl sie selbst sich darin ja nicht so wahnsinnig gut auszukennen scheint.
»Hallo!«, erklingt eine Stimme von der Tür her. Es ist die Frau mit der Hornbrille, die im Türrahmen lehnt und mich interessiert ansieht. »Alles in Ordnung?«
»Ja, sicher, danke!«, versichere ich ihr strahlend.
»Erin«, wendet sich die Frau an meine Einkaufsberaterin. »Sie holen jetzt doch sicher den knielangen Rock für die Kundin, richtig?«
»Ja«, sagt Erin und lächelt gequält. »Ich hole ihn.«
Sie verschwindet, und ich kann es mir nicht verkneifen, zu dem Kleiderständer hinüberzugehen, um zu gucken, was sie sonst noch mitgebracht hatte. Die Frau mit der Brille beobachtet mich einen Moment, dann kommt sie herein und streckt mir die Hand entgegen.
»Christina Rowan«, stellt sie sich vor. »Ich bin die Leiterin der Persönlichen Einkaufsberatung.«
»Hallo«, sage ich und begutachte ein hellblaues Hemd von Jill Stuart. »Ich bin Becky Bloomwood.«
»Und Sie kommen aus England, wenn ich Ihren Akzent richtig deute?«
»Aus London. Aber ich ziehe bald nach New York!«
»Ach ja?« Christina Rowan lächelt mich einnehmend an. »Und was machen Sie so, Becky? Sind Sie in der Modebranche?«
»Nein, nein. Mehr in der Geldbranche.«
»Geld! Ach so.« Sie zieht die Augenbrauen hoch.
»Ich gebe Leuten im Fernsehen Rat, was sie mit ihrem Geld machen sollen. Sie wissen schon, Rentenversicherungen und so...« Ich nehme eine herrlich weiche Kaschmirhose vom Ständer. »Ist die nicht wunderschön? Viel besser als die von Ralph Lauren. Und billiger.«
»Ja, die ist
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