Faszination Menschenfresser
zur Aufgabe gemacht hat. Im Rahmen des Wiederansiedlungsprojekts wurden im italienischen Naturpark Adamello-Brenta, dessen Braunbärenpopulation Ende des 20. Jahrhunderts nur noch aus kümmerlichen zwei bis drei Individuen bestand, zwischen 1999 und 2002 insgesamt zehn Bären aus Slowenien freigelassen. Unter den slowenischen Migrantenbären befanden sich auch Brunos Eltern Joze und Jurka. Bruno, der 2004 in Italien in freier Wildbahn geboren wurde, erhielt, wie international üblich, als Erstgeborener zunächst den aus den Anfangsbuchstaben der Namen der Eltern gebildeten Namen » JJ 1«. Sein Spitzname »Bruno« wurde dem Bären erst zu Beginn seiner Wanderung von einigen österreichischen Medien verliehen.
Nachdem Bruno bei seiner Alpenwandertour erfolgreich Österreich durchquert hatte, wurde er am 20. Mai 2006 das erste Mal in Deutschland, nämlich im Kreis Garmisch-Partenkirchen, gesehen. Wenig später verließ der wanderlustige Bär Deutschland jedoch schon wieder und ließ es sich im benachbarten Tirol gut gehen. In der Folgezeit wechselte Bruno immer mal wieder seinen Standort. Mal war er für ein paar Tage in Österreich, dann wieder in Deutschland.
Bruno wanderte offenbar vorzugsweise nachts. Dabei legte er meist Strecken von zehn Kilometern und mehr zurück und hielt sich nur selten länger als einen Tag in einem Gebiet auf. Auf seinen Touren hinterließ Bruno eine beachtliche Blutspur. Die Reisewege des Bären ließen sich nämlich anhand der von ihm auf seinen nächtlichen Wandertouren geschlagenen und anschließend verzehrten Haustiere recht gut dokumentieren. Und Brunos Sündenregister war lang: 2005 und 2006 hatte er in Italien bereits mehrfach Bienenstöcke aufgebrochen und war in Schafställe eingedrungen. In Bayern soll er nach Angaben des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz zwischen dem 20.5. und dem 26. 6. 2006 angeblich 31 Schafe getötet haben. Im gleichen Zeitraum hatte er außerdem noch in drei Bienenstöcken, zwei Hühnerställen und einem Kaninchenstall übel gewütet.
Um die Akzeptanz der Bevölkerung für das Zusammenleben mit Braunbären zu fördern, hat man in einigen europäischen Ländern mit permanentem Braunbärenvorkommen Maßnahmenkataloge entwickelt, mit deren Hilfe durch Bären verursachte Schäden verhindert oder zumindest minimiert werden sollen. So werden in »Braunbärengegenden« etwa Viehställe oder Imkereien gegen hungrige Petze durch Elektrozäune gesichert. Wiederholungstätern versucht man die Lust am Nutzvieh durch den Einsatz von Gummigeschossen zu vergällen. Eine Tötung von Bären ist nur dann vorgesehen, wenn diese aggressiv gegenüber Menschen auftreten und somit zu einer unkalkulierbaren Bedrohung werden. In Deutschland existierten zur Zeit von Brunos Einreise – mangels bereits vorhandener Bären – solche Maßnahmenkataloge allerdings nicht.
Am Anfang planten die zuständigen Behörden noch, Bruno lebend einzufangen, und versuchten ihr Glück mit einer sogenannten Culvert-Trap, einer speziellen Röhrenfalle. Diese wird vor allem in Nordamerika zur Umsiedlung von Bären verwendet, die sich unerwünschterweise in der Nähe von Siedlungen herumtreiben. Die Fallenfang-Versuche blieben jedoch, insbesondere wegen der geringen Ortstreue Brunos, erfolglos.
Als Nächstes setzte man auf eine mobile Eingreiftruppe von fünf extra eingeflogenen finnischen Bärenjägern, die mit ihren norwegischen Elchhunden Bruno näher auf den Pelz rücken sollten. Bei Elchhunden handelt es sich um ausgebildete Jagdhunde, die darauf spezialisiert sind, wehrhaftes Wild wie z. B. Elche, aber eben auch Bären auf große Distanzen zu verfolgen und so lange zu stellen, bis die Jäger eingetroffen sind. Beim Einsatz der Hunde wurde an nahezu alles gedacht. So wurde den Tieren, die aus ihrer Heimat eher an niedrige Temperaturen gewöhnt waren, noch schnell das Fell geschoren, um ihnen den Aufenthalt in der herrschenden Sommerhitze Bayerns etwas zu erleichtern. Begleitet wurden das finnische Bärenjägerteam von einem österreichischen Betäubungsexperten, der Bruno mittels eines Spezialbetäubungsgewehrs ins Reich der Träume befördern sollte, sollte er denn von den Hunden aufgespürt werden.
Ein sofortiger Einsatz der frisch eingeflogenen Jäger scheiterte übrigens – wie ja in Deutschland nicht gerade selten – zunächst einmal an einer bürokratischen Hürde. Juristen mussten überhaupt erst einmal prüfen, ob finnische Jäger
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