Faszination Menschenfresser
überhaupt grenzüberschreitend in Deutschland und Österreich bewaffnet ihrer Tätigkeit nachgehen dürfen. Sie durften.
Aber auch den Bemühungen der finnisch-norwegischen Elchhundestaffel, deren Einsatz den deutschen bzw. österreichischen Steuerzahler immerhin stolze 30 000 Euro kostete, war kein Erfolg beschieden, und so musste dieser ergebnislos abgebrochen werden. Die Bärenjäger konnten Brunos Standort zwar mehrere Male eingrenzen, es gelang dem Team jedoch nicht, sich dem Bären auf weniger als 600 Meter zu nähern – eine viel zu große Entfernung selbst für das leistungsstärkste Betäubungsgewehr.
Die Jagd auf den »Problembären« wurde bald nicht nur zu einem Politikum, sondern auch zu einem Medienereignis von internationalem Rang. Bruno mutierte innerhalb weniger Tage zum regelrechten Medienstar. Sogar die New York Times berichtete unter der Überschrift: »Herr Bruno Is Having a Picnic, but He’s no Teddy Bear« über den wanderlustigen Bären. Die Sympathien der Bevölkerung – zumindest, wenn sie nicht in Brunos bevorzugtem Wandergebiet wohnte – lagen klar beim Braunbären mit Migrationshintergrund. Im Internet wurden Wetten auf ihn abgeschlossen und Solidaritäts-T-Shirts mit Aufdrucken wie »Mich kriegt ihr nie« oder » JJ Guevara« angeboten. Ganz prosaische, meist mehr oder weniger stark links orientierte Brunofreunde sahen in dem jungen Braunbären gar ein »Symbol der Freiheit«, quasi den »letzten Einzelkämpfer«, der es noch schaffte, durch die engen Maschen eines reglementierfreudigen Staates zu schlüpfen. Und Bruno war einfach nicht beizukommen: Während die Behörden eine Pressekonferenz nach der anderen gaben, wanderte Bruno völlig ungerührt mitten durch die bayerischen Ferienorte. Einmal legte der gejagte Bär sogar unter den Augen erstaunter Kneipengänger ausgerechnet vor einer Polizeiwache seelenruhig ein Päuschen ein. Seine Verfolger führte er ein ums andere Mal an der Nase herum. In der Regel hatte sich der Bär nämlich lange vor deren Eintreffen wieder aus dem Staub gemacht.
Nachdem man wochenlang vergeblich versucht hatte, Bruno lebend zu fangen, wurden von Experten, aber auch aus Teilen der Bevölkerung, vermehrt Forderungen laut, den renitenten Bären zum Abschuss freizugeben, da dieser zu sehr die Scheu vor Menschen verloren hätte und damit zu einer unkalkulierbaren Gefahr für die Allgemeinheit geworden wäre. Letztendlich war es dann diese vermeintliche »Gefahr für den Menschen«, die den damaligen bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber höchstpersönlich dazu veranlasste, Bruno zum »Problembären« zu erklären und auf die Abschussliste zu setzen. Und so kam es, wie es kommen musste: Am 26. 06. 2006 wurde der »verhaltensauffällige« Bär auf der 1500 m hoch gelegenen Kümpflalm, einer in der Nähe der Rotwand im Spitzingseegebiet gelegenen Alm, von einer mobilen Eingreiftruppe des zuständigen Landratsamtes erschossen. Offensichtlich fürchtete man vonseiten der Bayerischen Staatsregierung von Anfang an, dass es zu Vergeltungsmaßnahmen von aufgebrachten Tierschützern kommen könnte, denn über die Identität des oder der Schützen sowie über Details des Abschusses wurden vom Bayerischen Umweltministerium keinerlei Angaben gemacht. In einer Presseerklärung hieß es lediglich, Brunos Tötung sei »von jagdkundigen Personen« vorgenommen worden.
Als Brunos Tod bekannt wurde, kam es vielerorts zu wütenden Protesten gegen die staatlich verordnete Bärenhinrichtung. Allein bei der Staatsanwaltschaft München ging eine riesige Flut von Anzeigen ein, unter anderem gegen den damaligen bayerischen Umweltminister Werner Schnappauf. Schnappauf selbst bekam Morddrohungen. Auch Natur- und Tierschützer kritisierten den Abschuss des beliebten Bären erwartungsgemäß scharf. So empfand der Präsident des Deutschen Naturschutzrings, Hubert Weinzierl, Brunos Exekution als »dümmste aller Lösungen« und riet den »Bären der Welt«, Bayern zu meiden, da sie hier zwangsläufig liquidiert werden würden. In das gleiche Horn blies auch der damalige deutsche Umweltminister Sigmar Gabriel, der öffentlichkeitswirksam darüber nachdachte, »ob es nicht auch möglich gewesen wäre, Bruno zu betäuben oder mit Hartgummigeschossen zu vergrämen statt ihn zu erschießen«. Auch die bayerische Jägerschaft kritisierte den Abschuss, da »der Bär ein geschütztes Tier und entsprechend dem bayerischen Jagdgesetz kein jagdbares Wild sei«. Die
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