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Faszination Menschenfresser

Faszination Menschenfresser

Titel: Faszination Menschenfresser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Ludwig
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Säugetier macht die globale Erwärmung so zu schaffen wie dem König der Arktis. Eisbären sind nämlich bei der Jagd auf ihre Hauptnahrungsquelle, die Robben, auf Packeis angewiesen. Die großen Bären können ihre Beutetiere nur dann erwischen, wenn diese zum Luftschnappen in einem Eisloch auftauchen. Im offenen Wasser dagegen sind die Robben viel zu schnell für einen Eisbären. Eisbären sind deshalb essenziell vom arktischen Packeis abhängig. Die Bären verbringen daher den weitaus größten Teil ihres Lebens auf dem Packeis. Auf das Festland kommen sie dagegen nur, wenn sie unbedingt müssen, etwa, wenn im Sommer im Süden ihres Verbreitungsgebietes das Packeis schmilzt. Durch die globale Erwärmung ist das Packeis heute jedoch nur noch halb so dick wie noch vor etwa 20 Jahren. Im Frühling schmilzt es immer früher, im Herbst gefriert es immer später. Eine Katastrophe für die Bären, für die jede zusätzliche Woche, die sie jagend auf dem Eis verbringen können, überlebenswichtig ist. Die Verkürzung der Jagdzeit macht es für die Bären nämlich deutlich schwieriger, genügend Robben zu erbeuten, um sich auch genügend Fettreserven für den ernährungstechnisch gesehen kargen Sommer anzufuttern. Stark vereinfacht formuliert: Den Eisbären schmilzt ihr Lebensraum unter dem Hintern weg. Und das bereits jetzt mit dramatischen Folgen. Oft trifft man auf Eisbären, die völlig abgemagert sind. Kanadische Forscher haben festgestellt, dass die Tiere heute durchschnittlich zehn Prozent weniger wiegen als noch vor 20 Jahren. Immer häufiger kommt es aus Futtermangel auch zum Kannibalismus. Die Männchen fressen aus der Not heraus einfach die körperlich unterlegenen Weibchen beziehungsweise Jungtiere auf. Andere Bären wiederum ertrinken bei der Futtersuche, weil sie zu weit auf das Meer hinausschwimmen müssen, um Beutetiere zu finden. Viele Tiere stellen auch aufgrund des Nahrungsfindungsstresses einfach die Fortpflanzung ein. Allein an der Westküste der Hudson Bay ist nach Berechnungen des kanadischen Wissenschaftlers Ian Stirling die Zahl der Eisbären zwischen 1987 und 2004 um satte 22 Prozent gesunken. Und so sieht es für das weitere Schicksal des Eisbären alles andere als gut aus. Zwar leben weltweit noch etwa 20 000 bis 25 000 Eisbären, aber die Experten der Weltnaturschutzorganisation IUCN fürchten, dass dieser Bestand in den nächsten 45 Jahren um 30 bis 50 Prozent zurückgehen könnte. Klimamodelle prognostizieren für die Zukunft eine immer geringere Eisbedeckung der Arktis. Einige Klimamodelle sagen sogar voraus, dass die Eisdecke bis zum Jahr 2080 im Extremfall ganz verschwinden könnte. Kein Wunder also, dass der Eisbär 2008 erstmals auf die Rote Liste der vom Aussterben bedrohten Tierarten gesetzt wurde.
    Immer wieder zu Konfrontationen mit Eisbären kommt es alljährlich im Herbst im kanadischen Städtchen Churchill. In dieser Zeit sammeln sich nämlich 100 über die Sommermonate ausgehungerte Eisbären an der Mündung des Churchill Rivers und warten ungeduldig darauf, dass die Hudson Bay zufriert und sie sich dann endlich wieder auf die Robbenjagd begeben können. Während der Wartezeit dringen die Bären auf der verzweifelten Suche nach Nahrung aber auch immer wieder in das direkt an der Bucht gelegene 800-Seelen-Städtchen ein. Vor allem zwischen Mitte Oktober und Mitte und Ende November ist in der selbst ernannten »Welteisbärenhauptstadt« im wahrsten Sinne des Wortes der Bär los, denn auf der Suche nach etwas Fressbarem streunen die notorisch hungrigen Bären ungehemmt durch die Straßen und Gärten von Churchill, durchwühlen die Mülltonnen nach Essensresten oder halten auch mal in einem Vorgarten ein Nickerchen. Oft dringt auch ein hungriger Bär in ein Haus ein und bedient sich in der Speisekammer oder verputzt in aller Gemütsruhe im Wohnzimmer eine Packung Hundefutter.
    Auch wenn sich die Bewohner Churchills schon seit Langem auf die alljährliche Eisbäreninvasion eingestellt haben – wenn die Eisbären in Churchill sind, herrscht hier der Ausnahmezustand. In bei Bären beliebten Zonen warnen »Eisbärenalarm-Schilder«. Autoschlüssel lässt man tunlichst immer im Zündschloss stecken, und auch Haustüren sollten nicht abgeschlossen werden – für den Fall, dass man schnell vor einem Bären flüchten muss. Dringt andererseits ein Bär ins Haus ein, ruft man eben die Eisbären-Notrufnummer an, die 24 Stunden am Tag besetzt ist. Kinder dürfen in der »Eisbärenzeit«

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