Faszination Menschenfresser
Geschichten. Nach der ersten Version hatte der vermeintlich männliche Bär zunächst ein junges Mädchen mit eindeutigen Absichten aus einem Dorf entführt. Einige Dörfler hätten das Mädchen zwar rechtzeitig gerettet, dadurch aber unstillbare Rachegelüste beim tierischen Entführer geweckt. Die andere Variante sieht im Mörderbär ein Weibchen, dem von bösen Menschen – aus welchen Gründen auch immer – die Jungen weggenommen worden waren und das daraufhin seinen Groll über den Verlust der Kinder an der Menschheit im Allgemeinen ausgetobt hat.
Obwohl Lippenbären oft Menschen angreifen und tödlich verletzen, verzehren sie ihre Opfer relativ selten. Lediglich zu Beginn des letzten Jahrhunderts wurde ein Fall aus dem indischen Chanda-Distrikt bekannt, bei dem eine außer Rand und Band geratene Lippenbärin zumindest einen der von ihr getöteten Menschen auch verspeist hat. Und auch der Lippenbär von Myosore verzehrte zumindest drei seiner Opfer.
Lippenbären sind heute vom Aussterben bedrohte Tiere. In der Roten Liste der Weltnaturschutzunion IUCN werden sie als »gefährdet« eingestuft. Die Gesamtpopulation der Lippenbären wird auf gerade mal noch 7000 bis 10 000 Tiere geschätzt. Die größte Bedrohung für die Bären ist der ständig voranschreitende Verlust ihres Lebensraums, da im Verbreitungsgebiet des Lippenbären immer wieder riesige Waldflächen gerodet werden, um später als Tee-, Eukalyptus- oder Teakholzplantagen zu dienen. Durch die Einebnung von Termitenhügeln werden die Bären mit den großen Klauen oft auch noch ihrer Nahrungsquellen beraubt.
Mit Sicherheit ist aber auch die illegale Jagd durch Wilderer ein bedeutender Faktor, der zum Rückgang der Lippenbärbestände geführt hat. Gejagt werden Lippenbären vor allem wegen ihrer überaus begehrten Gallenblase. Lippenbärgalle wird in der traditionellen chinesischen Medizin nämlich sehr gerne als Mittel gegen Fieber, Schwindel, Kopfschmerzen und andere Beschwerden eingesetzt.
Gerade in Indien werden aber auch immer wieder Lippenbären gefangen, um sie als Tanzbären abzurichten. Doch damit nicht genug: Aus »Sicherheitsgründen« werden den armen Tieren meist Krallen und Zähne entfernt. Ihrer wichtigsten Waffen beraubt, lassen sich die Bären dann leichter handhaben.
Und wie sieht es mit der Gefährlichkeit des Eisbären aus? Schließlich ist der König der Arktis das größte Landraubtier überhaupt. Menschen passen zwar nicht unbedingt in das Beuteschema eines Eisbären, aber als fast reine Fleischfresser sind die größten Bären der Welt für Menschen dennoch zumindest potenziell gefährlicher als alle anderen Bärenarten, die nicht nur kleiner sind, sondern zudem noch auf Mischkost stehen.
Und auch wenn es wegen der bekanntermaßen dünnen Besiedlung der Arktis zu relativ wenigen Begegnungen zwischen Mensch und Eisbär kommt, können diese durchaus tödlich ausgehen. Für die riesigen Raubtiere – Männchen können ein Gewicht von über 800 Kilogramm und eine Länge von fast drei Metern erreichen – das entspricht aufgerichtet einer Größe von rund vier Metern – ist ein unbewaffneter Mensch kein auch nur einigermaßen ernst zu nehmender Gegner.
In vielen Fällen handelt es sich bei den vierbeinigen Angreifern um hungrige, noch relativ unerfahrene männliche Jungtiere, die zuvor von einem älteren Männchen von ihrer eigentlichen Beute vertrieben worden sind. Zu Angriffen auf Menschen kommt es meistens in der Nähe menschlicher Behausungen wie Jagdcamps oder Wetterstationen. Der letzte tödliche Angriff fand im März 2010 auf Spitzbergen statt, als ein deutscher Tourist am Ortsrand des Städtchens Longyearbyen von einem Eisbären getötet wurde.
Übrigens sind es in vielen Fällen die Eisbären, die bei einer Konfrontation mit Menschen den Kürzeren ziehen, da die Menschen in der Arktis fast ausnahmslos Schusswaffen mit sich führen und von diesen bei einer Bedrohung durch die riesigen Bären auch meist sofort Gebrauch machen. Vielleicht sollten Menschen, die – wo auch immer – mit den Weißen Riesen der Arktis näher in Kontakt treten, auch einfach dem Rat der Inuit folgen, die fest davon überzeugt sind, Eisbären könnten Gedanken lesen: »Denke nicht schlecht von den Bären, sie könnten dadurch verärgert werden.«
Aber die Zukunft der riesigen Bären sieht alles andere als gut aus. Der World Wildlife Fund fürchtet, dass der Eisbär noch in diesem Jahrhundert ganz aussterben könnte, denn kaum einem anderen
Weitere Kostenlose Bücher