Faszination Menschenfresser

draußen nur unter Aufsicht spielen und werden von bewaffneten Begleitern oder im sicheren Schulbus in die Schule gebracht. Aber natürlich kennen in Churchill bereits die jüngsten Kinder die wichtigsten Verhaltensregeln im Umgang mit Eisbären:
    1. Schaue einem Eisbären niemals direkt in die Augen – das provoziert ihn.
    2. Es bringt nichts, bei einer Begegnung mit einem Bären wegzulaufen – er ist schneller.
    3. Nähert sich ein Bär, gehe langsam rückwärts und ziehe ein oder mehrere Kleidungsstücke aus. Der Bär wird deine Klamotten beschnüffeln, das verschafft dir Zeit, dich langsam, aber sicher aus dem Gefahrenbereich zurückzuziehen.
    Um der Eisbärenbedrohung auch dauerhaft Herr zu werden, ließen sich die Stadtväter Churchills 1980 sogar etwas ganz Besonderes einfallen: Sie errichteten das weltweit erste und auch einzige Gefängnis exklusiv für Eisbären. Bären, die in Churchill selbst oder in unmittelbarer Nähe des Städtchens angetroffen werden und als »verhaltensauffällig« eingestuft werden, werden von der »Polar Bear Police« mit einem Narkosegewehr betäubt und wandern dann sofort ins Eisbärengefängnis. Im Knast gibt es für die Übeltäter nur Wasser zu trinken, denn die Eisbären sollen ja ihren Gefängnisaufenthalt in möglichst schlechter Erinnerung behalten, damit sie zukünftig um Churchill einen großen Bogen machen. Die pelzigen Strafgefangenen bleiben stets so lange im Eisbären-Gefängnis, bis sich auf der nahe gelegenen Hudson Bay wieder Eis bildet und sie entlassen werden können. Dazu werden sie vorsichtig in Netze verpackt, anschließend per Hubschrauber rund 40 Kilometer nach Norden geflogen und dort wieder ausgesetzt. Da der Eisbärenknast in der Hochsaison des Öfteren an seine Kapazitätsgrenzen stößt, wird zurzeit über eine Erweiterung des Zellentrakts nachgedacht. Das Eisbärengefängnis war bereits 2006 von 28 auf 32 Zellen erweitert worden.
    Erweist sich ein Eisbär als unbelehrbar und taucht mehr als drei Mal hintereinander in Churchill auf, wird der weiße Riese behördlicherseits in die Kategorie »Problembär« eingeordnet und muss – zum Schutze der Einwohner – den Rest seines Lebens künftig im Zoo verbringen. In Churchill wird das Gefahrenpotenzial, das von den streunenden Eisbären ausgeht, ganz gerne heruntergespielt. Man möchte nämlich auf gar keinen Fall die Touristen verschrecken, die mittlerweile die wichtigste Einnahmequelle für die Bewohner der »Eisbärenwelthauptstadt« sind. Zahlungskräftige Ökotouristen aus aller Welt zahlen nämlich bis zu 800 Dollar die Stunde, um die weißen Riesen gut gesichert aus sogenannten Tundra Buggys, busähnlichen Spezialfahrzeugen, aus nächster Nähe beobachten zu können. Tatsächlich von Eisbären getötet wurden seit 1717 in Churchill gerade mal zwei Menschen. Beide Opfer waren jedoch nicht ganz unschuldig an ihrem Schicksal. 1968 bewarfen zwei Teenager einen Eisbären mit Steinen, worauf der Bär sich zur Wehr setzte und einen der Jugendlichen tötete. 15 Jahre später brach ein wohl betrunkener Mann auf der Suche nach Nahrung in die Küche des »Churchill-Hotels« ein. Als er in einem der Gefrierschränke Fleisch fand, stopfte er sich damit die Taschen voll. Durch den Fleischgeruch wurde jedoch dummerweise ein Eisbär angelockt, der den Einbrecher kurzerhand tötete. Die vermeintlichen »Killerbären« wurden in beiden Fällen erschossen.

Der wahre Moby Dick und seine Erben
    oder Die tödlichen Rammstöße der Pottwale
    »Auch war es nicht so sehr seine außerordentliche Größe und auffallende Färbung, noch sein missgestalteter Unterkiefer, was ihn zu einem so gefürchteten Ungetüm machte, es war vielmehr seine beispiellose Durchtriebenheit und Tücke, die er nach bestimmten Aussagen bei seinen Angriffen immer wieder bewiesen hat. Vor allem seine hinterlistigen Rückzüge verbreiteten Furcht und Schrecken. Mehr als einmal soll er mit allen Zeichen der Angst vor seinen frohlockenden Verfolgern das Weite gesucht haben, nur um dann unversehens kehrtzumachen und sich auf seine Feinde zu stürzen, wobei er entweder ihre Boote in Trümmer schlug oder die Entsetzten zu rasender Flucht zurück auf ihr Schiff zwang … die Grausamkeit des Weißen Wals war von so teuflischer Ausgeklügeltheit, dass jede Verstümmelung oder jeder Todesfall, den er verursacht hatte, nicht lediglich als das Werk einer dumpfen Naturkraft angesehen wurde.«
    Grausam, tückisch, teuflisch – kaum ein Tier kommt so schlecht weg