Faszination Menschenfresser
von Walfangschiffen. Zeitweilig hatte der weiße Pottwal eine derart große Popularität, dass bei Begegnungen zwischen Walfangschiffen auf dem Pazifik meist eine der ersten Fragen der Kapitäne lautete: »Gibt es etwas Neues von Mocha Dick?«
Natürlich versuchten nicht wenige Kapitäne, den Wal mit der legendären Kampfkraft zu erbeuten, und es kam daher in der Folge immer wieder zu blutigen Auseinandersetzungen zwischen Mocha Dick und seinen Häschern. So soll es Mocha Dick gewesen sein, der im Jahr 1840 rund 200 Meilen vor der chilenischen Küste gleich zwei Fangboote des englischen Walfangschiffes Desmond mit seiner gewaltigen Schwanzflosse zu Kleinholz verarbeitet hat. Und rund ein Jahr später attackierte angeblich der gleiche Wal östlich der Falklandinseln die Fangboote des englischen Walfängers John Day . Im Verlauf des Kampfes, bei dem zwei Seeleute getötet wurden, wurde der weiße Riese erfolgreich harpuniert. Eine Tat, die den Pottwal aber erst so richtig in Rage brachte. Er schleppte das entsprechende Fangboot mehr als zwei Seemeilen hinter sich her, um es dann völlig zu zerstören. Mocha Dick jedoch entkam seinen Verfolgern einmal mehr.
Ewigen Ruhm verschaffte Mocha Dick dann sein sagenumwobener Kampf gegen drei britische Walfangschiffe im Oktober1842 , als der gewaltige Meeressäuger mehrere Fangboote durch Schwanzschläge versenkte und sogar einen der Schoner per Rammstoß auf den Boden des Meeres schickte. Insgesamt sollen dem »König der Wale« über 30 Seeleute zum Opfer gefallen sein.
Manchmal zeigte sich Mocha Dick aber auch von einer eher freundlichen Seite und schwamm friedlich neben einem Schiff her. Aber wehe, er wurde angegriffen! Dann wehrte sich der riesige Wal mit allen Mitteln, die ihm zur Verfügung standen. Nicht selten tauchte er dann mit einer so immensen Geschwindigkeit und Aggressivität auf, dass er seinen ganzen Körper hoch in die Luft schraubte, nur um ihn dann auf die zerbrechlichen Fangboote fallen zu lassen.
Pottwale gehören mit einer Länge von über 18 Metern und einem Gewicht von bis zu 60 Tonnen zu den größten Lebewesen überhaupt. Die Männchen der zu den Zahnwalen gehörenden Riesen sind stets größer und schwerer als die Weibchen. Kein Wunder also, dass die Jagd auf die riesigen Meeressäuger im 19. Jahrhundert eine lebensgefährliche Angelegenheit war: Viele Walfänger mussten den höchsten Preis für ihre recht einträgliche Tätigkeit zahlen und blieben für immer auf See. In der Walfang-Hochburg Nantucket beispielsweise war zur Blütezeit des Walfangs ein Viertel aller Frauen über 23 verwitwet. Die Männer begaben sich nämlich in wahren Nussschalen auf die Jagd – kleinen, rund acht Meter langen Ruderbooten, die gerade mal sechs bis acht Mann Platz boten und von den wütenden Meeressäugern leicht mit einem einzigen Schlag der riesigen Schwanzflosse zerschmettert werden konnten. Die meisten Matrosen waren damals übrigens Nichtschwimmer.
Attackiert wurde der Wal entweder direkt von vorne oder von hinten in seinem toten Blickwinkel. Nur so war es möglich, sich dem Tier auf eine effektive Harpunenwurfweite zu nähern. Saß die Harpune dann in der Speckschicht fest, folgte oft ein kilometerlanger Höllenritt, bei dem der aufgeschreckte Wal die Boote mit Geschwindigkeiten von bis zu 20 Knoten hinter sich herzog. Besonders gefährlich war die Jagd in den Polargebieten. Hier kam es öfters vor, dass ein flüchtender Wal, wenn die Fangleine nicht rechtzeitig gekappt wurde, die Bootsbesatzungen unter das Eis zog. Waren die Tiere dann schließlich von ihren vergeblichen Fluchtbemühungen völlig erschöpft, wurde ihnen mit einem langen Lanzenmesser der Todesstoß in Herz, Lunge oder Lungenarterie verpasst. Der erlegte Wal wurde dann längsseits des Walfangmutterschiffs geschleppt, dort vertäut und abgespeckt. Die Speckstücke wurden an Bord gehievt und in Fässer verpackt. Aus dem Speck wurden in den Heimathäfen oder auf nahe gelegenen Inseln pro Wal etwa 17 000 Liter Tran gebrannt – ein begehrtes und gut bezahltes Brenn- und Schmiermittel. Und so beleuchtete das Öl der geschlachteten Wale nicht nur die Straßen der zivilisierten Welt, sondern schmierte auch die Maschinen der Industriellen Revolution. Die Reste der abgewrackten Wale ließ man für Raubfische und Seevögel zurück.
Nach Reynolds Bericht wurde Mocha Dick schließlich 1838 getötet, der Legende nach, als er – auch Ungeheuer können Gentlemen sein – einer verzweifelten, von
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