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Fata Morgana

Fata Morgana

Titel: Fata Morgana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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aushält.«
    »Eine letzte Frage, Mrs Hudd. Sie haben selbst keine Vermutung, wer Christian Gulbrandsen umgebracht haben könnte und warum?«
    »Es war einer von den Perversen, würde ich sagen. Die Schlägertypen sind in Wirklichkeit ganz vernünftig. Ich meine, die schlagen nur zu, um eine Ladenkasse auszuräumen oder Geld zu kriegen oder Schmuck – nicht bloß zum Spaß. Aber einer von den Perversen – Sie wissen schon, die ›psychisch Gestörten‹ – könnte so was auch bloß zum Spaß machen, meinen Sie nicht? Ich wüsste nämlich nicht, was es sonst für einen Grund geben sollte, Onkel Christian umzubringen, außer zum Spaß, oder? Ich meine natürlich nicht direkt Spaß, sondern –«
    »Sie können sich kein Motiv denken?«
    »Ja, genau, das meine ich«, sagte Gina dankbar. »Er wu r de doch nicht beraubt, oder?«
    »Aber die Collegegebäude waren mit Schloss und Riegel gesichert. Da konnte keiner ohne Erlaubnis raus.«
    »Glauben Sie doch das nicht.« Gina lachte fröhlich. »Die Jungs kommen überall raus! Die haben mir eine Menge Tricks beigebracht.«
    »Das ist ja eine ganz Muntere«, sagte Lake, als Gina gegangen war. »Hab sie zum ersten Mal aus der Nähe gesehen. Tolle Figur, oder? Irgendwie ausländisch, die Figur, wenn Sie wissen, was ich meine.«
    Inspektor Curry warf ihm einen eisigen Blick zu. Sergeant Lake sagte hastig, sie sei eine Lustige. »Die genießt das förmlich, könnte man sagen.«
    »Ob Stephen Restarick nun mit seiner Bemerkung über ihre Ehe Recht hat oder nicht, mir ist aufgefallen, dass sie großen Wert auf die Feststellung gelegt hat, Walter Hudd sei schon wieder in der Großen Halle gewesen, als der Schuss fiel.«
    »Womit sie allen anderen widerspricht.«
    »Genau.«
    »Sie hat auch nicht erwähnt, dass Miss Bellever die Halle verlassen musste, um nach den Schlüsseln zu suchen.«
    »Nein«, sagte Inspektor Curry nachdenklich, »das hat sie nicht erwähnt...«

Vierzehntes Kapitel

I
     
    M rs Strete passte viel besser zu der Bibliothek als Gina Hudd. Mrs Strete hatte nichts Exotisches an sich. Sie trug ein schwarzes Kleid mit einer Onyxbrosche und ein Haarnetz über dem sorgfältig frisierten grauen Haar.
    Sie sah genau aus, dachte Inspektor Curry, wie die Hinterbliebene eines Kanonikus der Staatskirche aussehen sollte – was beinahe seltsam war, weil nur ganz wenige Menschen so aussahen, wie man es erwarten würde.
    Sogar ihre schmalen Lippen hatten einen asketisch-klerikalen Zug. Sie verkörperte christliche Duldsamkeit und möglicherweise auch christliche Tapferkeit. Christliche Nächstenliebe nicht, dachte Curry.
    Außerdem war nicht zu übersehen, dass Mrs Strete gekränkt war.
    »Ich hätte eigentlich erwartet, dass Sie mir wenigstens ungefähr sagen würden, wann Sie mich brauchen, Inspektor. So war ich gezwungen, den ganzen Vormittag herumzusitzen und zu warten.«
    Curry kam zu dem Schluss, dass ihr Gefühl für ihre eigene Wichtigkeit verletzt war. Er beeilte sich, Öl auf die Wogen zu gießen. »Es tut mir sehr Leid, Mrs Strete. Aber vielleicht wissen Sie nicht so genau, wie wir diese Dinge handhaben. Wir beginnen nämlich immer mit den weniger wichtigen Aussagen – um sie schon mal aus dem Weg zu haben, sozusagen. Es zahlt sich aus, wenn wir uns einen Zeugen bis zum Schluss aufheben, auf dessen Urteil wir uns verlassen können, jemanden mit guter Beobachtungsgabe, an dessen Aussagen wir überprüfen können, was uns bis dahin gesagt wurde.«
    Mrs Stretes Unmut schmolz sichtlich dahin.
    »Ach, ich verstehe. Mir war nicht ganz klar...«
    »Sie sind eine Frau von reifer Urteilskraft, Mrs Strete. Eine Dame von Welt. Und außerdem ist dies hier Ihr Zuhause – Sie sind die Tochter des Hauses, und Sie können mir alles über die Menschen erzählen, die es bewohnen.«
    »Das kann ich allerdings«, versicherte Mildred Strete.
    »Dann ist Ihnen auch klar, dass Sie uns hinsichtlich der Frage, wer Christian Gulbrandsen getötet hat, sehr behilflich sein können.«
    »Aber ist das überhaupt eine Frage? Liegt es nicht klar auf der Hand, wer meinen Bruder umgebracht hat?«
    Inspektor Curry lehnte sich zurück. Er strich sich den säuberlich gestutzten Schnurrbart.
    »Ja, also – wir müssen vorsichtig sein«, sagte er. »Es liegt auf der Hand, meinen Sie?«
    »Natürlich. Dieser schreckliche amerikanische Mann unserer armen Gina. Er ist der einzige Fremde hier. Wir wissen absolut nichts von ihm. Wahrscheinlich ist er einer dieser abscheulichen amerikanischen

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