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Fatal Error

Titel: Fatal Error Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Ridpath
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Mir wurde etwas besser, als der Wodka ins Blut gelangte.
    »Trink noch ein bisschen. Santé!« Sie leerte ihr Glas und füllte es wieder. Unter ihren wachsamen Augen trank ich noch einen Schluck aus meinem.
    »Müssen wir nicht los?«
    »Das hat keine Eile. Wir sind in Frankreich. Tony wird sich sowieso beklagen, dass ich zu spät komme. Das tut er immer.«
    »Okay«, sagte ich unsicher.
    Wir standen einen halben Meter voneinander entfernt.
    Sie trug ein weites weißes Kleid und hatte das Haar im Nacken zusammengebunden. Die Sonnenbrille hatte sie abgenommen. Versonnen blickte sie mich an, während sie trank. Ich wusste nicht, was ich tun oder wohin ich schauen sollte. Ich spürte, wie mir die Hitze ins Gesicht stieg, und hatte keine Ahnung, ob der Wodka daran schuld war oder die Verlegenheit oder beides. Ich nahm wieder einen Schluck. Schließlich fand mein Blick keine neutralen Stellen mehr, an denen er sich festhalten konnte, und begegnete dem ihren. Ihre Augen waren blau. Etwas war seltsam an ihnen, aber ich hatte keine Zeit, es herauszufinden.
    Sie trat einen Schritt vor.
    Regungslos erwartete ich sie. Ihre Lippen strichen über meinen Mund. Dann schlang sie die Arme um meinen Hals und zog mich zu sich hinab. Ihre Zunge war rau. Sie roch nach Parfüm und Rauch. Für mich war das ein berauschender, erwachsener Duft. Schließlich löste sie sich von mir.
    »Komm«, sagte sie.
    Sie nahm mich an die Hand wie ein Kind und führte mich die Treppe hinauf. Wir durchquerten ihr riesiges Schlafzimmer, das von einem großen ungemachten Bett beherrscht wurde, und traten auf einen Balkon hinaus. Uns umgab das Blau von Meer und Himmel. Ich spürte mein Herz hämmern. Mein Mund war trocken.
    Ihre Augen, diese merkwürdigen Augen, ruhten unverwandt auf mir. Ihre Hände verschwanden hinter dem Rücken und nestelten an etwas herum. Dann wand sie sich kurz, und ihr Kleid fiel auf den Boden. Bis auf ein winziges Höschen war sie nackt. Noch nie war ich einem realen, atmenden, dreidimensionalen Frauenkörper so nahe gewesen, und schon gar nicht einem wie diesem. Ich
    konnte kaum atmen. Ich streckte eine Hand nach ihr aus. Sie legte sie auf ihre Brust. Ich spürte, wie die Brustwarze unter meinen Fingern hart wurde und sich aufrichtete. »Komm zu mir, David.«
April 1999, The City, London
    Oben auf der Treppe hielt ich inne und blickte auf den traditionell rot-weiß gestreiften Barber’s Pole. Ich stand in einer engen Gasse hinter der Bank of England. Vor mir, in einem Kellerraum, befand sich der Friseur, den ich seit drei Jahren alle sechs Wochen aufsuchte. Doch dieses Mal war mein letzter Besuch erst vierzehn Tage her.
    Ich atmete tief durch, ging die Stufen hinab und öffnete die Tür.
    Fünf Minuten später saß ich auf dem Stuhl und betrachtete mein Haar im Spiegel. Kurz, etwas gelockt. Weder besonders modisch noch besonders altmodisch.
    »Wie üblich, Sir?«
    »Nein, George. Zwei Millimeter rundum.«
    Den ganzen Morgen hatte ich den Satz geübt. Einen Millimeter hatte ich als ein bisschen zu endgültig verworfen.
    Der Zyperngrieche hob die dichten Augenbrauen, sagte aber kein Wort und griff nach seiner elektrischen Haarschneidemaschine. Er schob den Stecker in die Dose und schaltete das Gerät ein. Bei dem Geräusch bekam ich Herzklopfen. Im Spiegel sah ich die vibrierende Maschine dicht über meinem Haar schweben. Er fing meinen Blick auf und lächelte. Schweiß lief von meinen Achseln hinunter. Reiß dich zusammen, sagte ich mir. Es geht nur um die Haare. Sie wachsen nach. Ich lächelte zurück.
    Er setzte an. Ich schloss die Augen. Das Geräusch wurde lauter. Ich wappnete mich für den Schmerz, den ausgerissene Haare verursachen, doch es fühlte sich eher wie eine kurze, intensive Massage an. Als ich die Augen wieder öffnete, sah ich dort, wo eben noch mein Scheitel gewesen war, einen stoppeligen Streifen. Wie das Negativ eines Irokesenschnitts. George grinste breit.
    Es gab keinen Weg zurück.
    Eine Hauptstraße, wie der Name besagte, war Wapping High Street eigentlich nicht. Eher eine Gasse zwischen umgebauten Lagerhäusern - modernen Apartmenthäusern, denen man den Anstrich von umgebauten Lagerhäusern zu geben versuchte. Wenig Verkehr, keine Fußgänger, aber viel Lärm von den Baustellen hinter Zäunen.
    Schließlich fand ich Malacca Wharf und führ mit dem Fahrstuhl in den zweiten Stock.
    »Geiler Haarschnitt«, sagte Guy, als er die Tür öffnete.
    »Wusste ich doch, dass er dir gefällt.« Ich folgte ihm in die

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