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Fatal Error

Titel: Fatal Error Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Ridpath
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könne sie nichts mehr schockieren. Doch Tony war der Vater von einem von uns, ein Elternteil. Das war unnatürlich. Unmöglich. »Und seine Frau war im selben Haus!«
    »Ich weiß«, sagte Ingrid. »Anscheinend hat sie geahnt, was er im Schilde führte. Schluss jetzt«, flüsterte sie. »Mel kommt.«
    Unsicher trat Mel aus dem Haus auf die Terrasse. Sie sah schrecklich aus. Ihr Gesicht hatte eine Schattierung zwischen Kalkweiß und Aschgrau, und ihre Augen waren rot und verquollen. Lippenstift und dunkler Lidschatten  machten die Sache nicht besser, im Gegenteil.
    »Hi«, sagte ich.
    »Hi.« Sie setzte sich zu uns und beschäftigte sich mit ihrer Kaffeetasse. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Sie sagte nichts. So schwiegen wir zu dritt.
    Da mich das Frühstück ein bisschen regeneriert hatte, raffte ich mich auf und sprang in den Pool. Das kalte Wasser tat gut. Es gab also noch ein Leben nach dem Alkohol. Ein energiegeladener Tony gesellte sich zu mir und legte dreißig Bahnen in entmutigender Geschwindigkeit zurück. Einige Minuten später tauchte Guy auf. Er machte einen Kopfsprung ins Wasser und nahm das Tempo seines Vaters auf, Zug um Zug. Ich fand es obszön, dass sie sich im Wasser miteinander maßen, nach all dem, was sich in der Nacht zuvor zwischen Tony und Guys Freundin abgespielt hatte. Es war fast so, als hätten die nächtlichen Aktivitäten Tony unnatürliche Energien zugeführt. Ganz im Gegensatz zu der benommenen und übernächtigten Mel, die sich auf der Terrasse immer noch an ihrer Kaffeetasse festhielt.
    Ich überließ die beiden ihrem Schicksal, kletterte aus dem Becken, streckte mich in einem der Liegestühle aus, schloss die Augen und ließ die Sonne ihre Arbeit tun.
    Gegen Mittag weckte mich Guy. »Komm, zieh dich an. Wir fahren in ein Restaurant in Monte Carlo. Am Nachmittag gehen wir an den Strand.«
    Ich grunzte und tat, wie mir geheißen, nicht ganz sicher, ob ich einem opulenten Mittagessen und dem Alkohol, der sicher dazugehörte, gewachsen sein würde. Alles wartete in der großen Diele. Dominique trug ihre große Sonnenbrille und verhielt sich, als wäre in der Nacht zuvor nichts geschehen. Nur Owen fehlte. Guy sagte, er hänge vor seinem Laptop und habe keine Lust mitzukommen.
    Darüber war niemand traurig.
    »Also los«, sagte Tony, »wir können uns alle in den Jeep quetschen.«
    »Ich nehm mein Auto«, sagte Dominique.
    »Wie du willst.«
    »Ich kann jemanden mitnehmen.« Sie wandte sich mir zu.
    »David?«
    Ich war ein bisschen überrascht, dass sie mich aussuchte. Lieber wäre ich mit den anderen gefahren, da hätte ich auf dem Rücksitz vor mich hindösen können. An diesem Tag war mir eigentlich nicht nach Konversation mit Dominique zumute. Aber ich wollte nicht unhöflich sein. »Okay«, sagte ich.
    Wir verließen das Haus, Tony fuhr mit dem Jeep vor, und alle außer mir zwängten sich hinein. Dominique war noch einmal ins Haus zurückgegangen, um etwas zu holen. Tony wartete einen Augenblick, murmelte dann etwas in sich hinein und ließ den Wagen an.
    »Tut mir Leid, David, sie ist niemals pünktlich. Wir sollten jetzt fahren. Willst du nicht doch mit uns kommen?«
    Ich zögerte einen Augenblick. »Nein, ich glaube, es ist besser, wenn ich auf sie warte«, sagte ich schließlich, nachdem ich zu dem Schluss gekommen war, dass das unter den gegebenen Umständen die am wenigsten unhöfliche Lösung war.
    »Okay. Sag ihr, wir sind in unserem Stammlokal. Bis dann!« Der Jeep schoss die Auffahrt hinunter.
    Ich wartete noch zwei Minuten, dann ging ich ins Haus.
    »David!«
    Dominiques Stimme kam aus dem Wohnzimmer. Ich trat ein. Sie trank eine klare Flüssigkeit aus einem großen Kristallglas.
    »Möchtest du auch etwas?«
    »Was ist das?«
    »Wodka. Eiskalt.«
    Ich schüttelte den Kopf. »Nicht nach der letzten Nacht.«
    Sie lachte. »Hast du Kopfschmerzen?«
    Ich nickte.
    »Dann trink ein Glas. Das tut gut. Ich verspreche dir, dass du dich danach viel besser fühlst.«
    »Das glaube ich nicht.«
    Sie goss einen kräftigen Schluck Wodka in ein Glas und reichte es mir. »Hier. Versuch es!«
    Zweifelnd blickte ich sie an. Was soll’s, dachte ich schließlich und stürzte einen Teil der Flüssigkeit hinunter. Der eiskalte Schnaps wurde zu Feuer, als er meine Rachenwände passierte. Ich verzog das Gesicht.
    »Warte einen Augenblick«, sagte sie lächelnd. »Es dauert nicht lange.« Sie beobachtete mich, während ich das Glas ungeschickt in der Hand behielt.
    Sie hatte Recht.

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