Fatal Error
Wohnung. Die Hälfte des kleinen Wohnzimmers wurde von einem Kieferntisch eingenommen, der unter der Last der Computer und Aktenstapel ächzte. Owens massiger Oberkörper war über eine Tastatur gebeugt, auf die er einhämmerte. Er sah fast noch genauso aus wie vor einigen Jahren, abgesehen von den Haaren, die unter seiner Baseballmütze hervorquollen und eine sehr künstliche weißblonde Färbung hatten.
»Hallo, Owen.«
Er blickte kurz auf. »Hi«, erwiderte er mit seiner hohen Stimme.
»Was sagst du nun? Das ist die weltweite Firmenzentrale von ninetyminutes.com.«
»Beeindruckend. Und wo ist mein Büro?« »Genau hier.« Guy wies auf einen Stuhl am Tisch, vor einem Stapel Papiere.
»Sehr hübsch.«
»Aber eine schöne Aussicht, findest du nicht?«
Ich ging zur Glastür, die auf einen kleinen Balkon führte. In braunen Strudeln strömte die Themse vorbei, und vom gegenüberliegenden Ufer blickten weitere umgebaute Lagerhäuser zurück.
»Warum wohnst du hier? Hier ist doch nicht viel los.«
»Das Gebäude gehört Dad. Ein Anlageobjekt, das er sich vor einiger Zeit gekauft hat. Er versucht, mich rauszuschmeißen, aber ich gehe nicht.«
»Du hast gesagt, ihr versteht euch nicht.«
»Überhaupt nicht. Wir gehen uns nach Möglichkeit aus dem Weg.«
»Aha.« Das hieß wohl nicht nur, dass Guy sein persönliches Geldverhalten ändern musste, sondern auch, dass die naheliegendste Finanzierungsmöglichkeit für ninetyminutes.com entfiel. Darüber sollte ich gleich mehr erfahren.
Guy ging in die kleine Küche und machte Kaffee. »Wie haben sie es bei Gurney Kroheim aufgenommen?«
»Meinem Chef hat es ganz und gar nicht gefallen«, sagte ich.
»Ich war wirklich gerührt. Zunächst versuchte er mich umzustimmen, gab aber nach ein paar Minuten auf. Er sagte, ich täte genau das Richtige. Armer Kerl. Ich gebe ihm nicht mehr lange in der Bank.« Giles war Geschichte, und er wusste es. Bei der nächsten Umstrukturierung würde man ihn aus dem Organigramm für Sonderfinanzierung streichen. Hoffentlich fand er eine andere Stellung.
»Hier ist die Arbeitsplatzsicherheit viel größer«, sagte Guy.
»Klar«, entgegnete ich mit trockenem Grinsen. Ich zog das Jackett aus und hängte es über die Rückenlehne des Stuhls. »Also. Was machen wir?«
Guy begann zu reden. Und wie er redete. Es war wie ein Dammbruch. Offenbar beschäftigte er sich in seinen Gedanken seit Wochen mit nichts anderem, und nun brauchte er einfach jemanden, dem er sich mitteilen konnte. Owen war dafür nicht der richtige Mann, ich schon. Guy freute sich ganz offensichtlich, dass er mich im Boot hatte. Das gab mir das Gefühl, gebraucht zu werden und sofort dazuzugehören.
Als Erstes galt es, ninetyminutes.com ins Netz zu stellen und in Betrieb zu nehmen. Guy hatte ziemlich klare Vorstellungen darüber, was er auf die Site haben wollte. Zunächst einmal das Übliche: Spielberichte, Nachrichten, Fotos, Spielerporträts, Statistiken, für jeden Verein einen eigenen Abschnitt, also die Dinge, die jede Fußballseite braucht. Dann aber auch Inhalte, von denen Guy hoffte, sie würden Ninetyminutes ein etwas anderes Gepräge geben: Klatsch, Chatrooms, Humor, Cartoons. Später Wetten, ein virtuelles Fußballspiel, Videoclips und als Krönung: E-Commerce. Sobald die Site Besucher
anlockte, würden wir mit dem Verkauf von Fanartikeln beginnen: Kleidung, Kaffeebechern, Postern, allem, was das Herz begehrte. Phase drei sollte der Entwurf einer eigenen Sportkollektion und anderer Produkte sein, die wir über die Site vertreiben wollten.
Es war erstaunlich, in welchem Maße diese Arbeiten Außenstehenden überlassen werden konnten. Owen sorgte dafür, dass die Site die nötigen technischen Eigenschaften aufwies, vor allem, dass sie »skalierbar« war, das heißt, dass sie mit den Anforderungen durch steigende
Besucherzahlen und Aufgabenvielfalt wachsen konnte. Doch andere Firmen konnten uns die Soft- und Hardware liefern, die wir brauchten, während uns ein Webdesigner half, die Site so zu gestalten, dass sie unsere Klientel auf die richtige Art ansprach. Nachrichten, Fotos und Statistiken konnten wir uns von Presseagenturen digital herunterladen und sie dann in jeder gewünschten Form präsentieren.
Blieb die alles entscheidende Frage.
»Wer soll das alles schreiben?«, fragte ich. »Die Kommentare, die Glossen, den Klatsch? Überlassen wir das Owen?«
»Ha, ha«, sagte Owen. Sein bislang einziger Gesprächsbeitrag.
Guy lächelte. »Schau mal
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