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Fatal - Roman

Titel: Fatal - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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Stadtvierteln. Ich suche in Geschäften für Kinderkleidung nach Lynnie und in den Jugendabteilungen der Baseballklubs nach Sam. Im Sommer klappere ich die Strände ab. Früher oder später werde ich einen von ihnen entdecken. Das weiß ich ganz genau.«
    Ellen musste Susan nicht bitten weiterzureden. Der Schmerz, der tief in ihr saß, ließ die Sätze aus ihr heraussprudeln. »Kein Minivan fährt vorbei, bei dem ich nicht auf den Rücksitz schaue. Auf jedem Baseballfeld suche ich die Ränge ab. Ich gehe in Tierhandlungen, weil Lynnie Katzen liebte. Ich steige in Schulbusse. Ich fahre nachts umher und sage laut ihre Namen. Als ich vorige Woche in New Jersey war und nach Lynnie rief, dachten die Leute, ich suchte einen Hund.«

    Susan hielt inne. Schweigen erfüllte den Raum.
    Wenn eine Mutter ihre Kinder verliert, erholt sie sich ihr ganzes Leben nicht mehr davon. Ellen wusste das jetzt aus erster Hand.

11
    Die Ampel zeigte Rot. Ellen hing ihren Gedanken nach. Sie hatte einen Blick in Susan Sulamans Welt geworfen und wollte nach Hause, um Will in die Arme zu nehmen. Das Blackberry läutete in der Handtasche. Es dauerte eine Weile, bis sie es gefunden hatte. Sie drückte die grüne Taste.
    »Elly, meine Schöne«, sagte eine vertraute Stimme.
    »Dad. Wie geht es dir?«
    »Gut.«
    »Was ist los?« Ellen bemerkte an seiner Stimme, dass etwas nicht stimmte.
    »Nichts. Gleich esse ich zu Mittag. Hast du Zeit? Ich komme gerade vom Doktor.«
    »Bist du krank?«
    »Wie kommst du denn darauf?«
    »Warum warst du dann beim Arzt?«
    »Nur eine Routineuntersuchung.«
    »Die letzte war doch erst im September.« Ellen erinnerte sich genau, es war einige Tage vor ihrem Geburtstag gewesen.
    »Und heute wieder eine.«
    Ellen sah auf die Uhr und überlegte. Ihr Vater lebte in
West Chester, eine Dreiviertelstunde vom Zentrum entfernt. Sie war damals umgezogen, um näher bei ihrem Vater zu sein. »Bist du zu Hause?«
    »Klar. Ich muss Rechnungen bezahlen und E-Mails beantworten.«
    »Dann schau ich vorbei. Ich bin gerade in Ardmore.«
    »Sehr schön. Die Tür steht immer für dich offen. Ich hab dich lieb.«
    »Ich dich auch.« Ellen legte auf und steckte das Handy wieder in die Handtasche. Sie wendete den Wagen und fuhr zurück in Richtung Lancaster Avenue. Ihr Gewissen meldete sich, weil sie ihren Vater fast einen Monat nicht besucht hatte. Zwischen ihrem Job und Will hatte sie nicht die Zeit dazu gefunden. Am Ende jeder Woche überlegte sie sich, wo die Zeit geblieben war. Ihr Leben schien ein Puzzle zu sein. Jede Woche kamen neue Teile dazu, aber irgendwie passten sie nie zusammen.
    Sie fuhr schneller.

12
    »Hi, Dad.« Ellen stand in der Küche ihres Vaters, von der aus man den Golfplatz von Green Manor sehen konnte. Der Club, zu dem er gehörte, war laut Eigenwerbung besonders geeignet für aktiv gebliebene Senioren. Nach dem Tod seiner Frau war ihr Vater hierhergezogen, weil er mehr Sport treiben wollte.
    »Hallo, mein Schatz.« Er war damit beschäftigt, Tomaten klein zu schneiden, und zog die zerfurchte Stirn
über seinen eng beieinanderstehenden braunen Augen zusammen. Eine verräterische Knollennase war ihm als Erbstück aus seiner Zeit als Trinker geblieben. Er war achtundsechzig Jahre alt, doch sein schütter gewordenes Haar war immer noch so dunkel, dass viele glaubten, er würde es färben. Ellen war sich ziemlich sicher, dass er es nicht tat.
    »Dad, wirst du sterben?«, fragte sie halb im Scherz.
    »Ich sterbe nie. Das weißt du doch.« Er setzte sein breites Lächeln auf, das ihm bei Strafschlägen auf dem Golfplatz und auf seinen Geschäftsreisen gute Dienste leistete. Er arbeitete als Vertreter für Autoteile und legte jede Woche an die tausend Meilen zurück.
    »Du siehst gut aus, El, hast dich richtig herausgeputzt.«
    »Ich arbeite mit allen Mitteln, damit ich nicht gefeuert werde.«
    »Hast du Erfolg damit?« Ihr Vater schnitt eine weitere rosarote Tomate auf. Tunfisch aus dem Bio-Supermarkt, ein Laib Vollkornbrot und ein Krug mit grünem Tee standen schon auf dem Tisch bereit - das waren die Mittel, die Don Gleeson anwendete, um der Natur ein Schnippchen zu schlagen und den Alterungsprozess aufzuhalten.
    »Bis jetzt schon.« Ellen schnappte sich eine Tomatenscheibe und ließ sie im Mund verschwinden. Es war eine Wintertomate, die nach nichts schmeckte.
    »Lass dich von den Dreckskerlen nicht niedermachen. Wie geht’s meinem Enkel?«
    »Er hat eine Erkältung.«
    »Ich vermisse ihn. Wann sehe ich ihn

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