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Fatal - Roman

Titel: Fatal - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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Timothy wäre älter geworden und hätte sich in Will verwandelt. Augen, Nase, Mund, alles gleich - der eine war eine größere, ältere und reifere Version des anderen.
    Ellens Magen zog sich zusammen. Sah man sich die beiden Fotos in umgekehrter Reihenfolge an, hätte man glauben können, Will verwandelte sich zurück in das Baby Timothy.
    »Connie!«, rief Will vom Schlafzimmer aus.
    »Ich komme, mein Schatz!«, antwortete sie. Sie sprang so schnell vom Bett auf, dass sie fast über ihre eigenen Füße stolperte. Oreo Figaro machte einen Satz zur Seite und kommentierte ihre plötzliche Aktivität mit einem lauten, ärgerlichen Miauen.
    Die Fotos landeten auf dem Fußboden.

14
    »Deine Mama ist wieder da, mein Schatz.« Lautes Schluchzen und Jammern erfüllten das dunkle Zimmer.
    »Mir ist heiß.«
    »Das weiß ich, mein Kleiner.« Sie hob Will hoch und drückte ihn fest an sich. Sein Kopf schmiegte sich an ihre Schulter; er klammerte sich an ihr fest wie ein Koalabär. Sein Gesicht war schweißnass; sie wiegte ihn sanft. »Mein armer Kleiner.«
    »Warum ist mir so heiß?«
    »Wir ziehen dich mal aus, einverstanden?« Ellen setzte ihn wieder aufs Bett. Er war zu apathisch, um sich dagegen zu wehren. Er war in seinem Rollkragenpulli und Overall eingeschlafen. »Ich mache jetzt das Licht an. Aufgepasst! Halt dir die Augen zu. Auf die Plätze, fertig …«
    Will bedeckte sich mit seinen kleinen Händen die Augen.
    »Du bist ein braver kleiner Junge.« Ellen machte die Babar-Lampe auf dem Nachttisch an. »Und jetzt nimm ganz langsam und vorsichtig die Hände von den Augen, damit sie sich ans Licht gewöhnen.«
    Will gehorchte und blinzelte sie an. »Alles okay.«
    »Sehr schön.« Ellen nahm die Bücher, die sich hinter der Matratze verkeilt hatten, und legte sie auf den Nachttisch. Sie öffnete die Verschlüsse an seinem Overall und zog ihn aus. »Du hast ein schönes langes Schläfchen gemacht.«
    »Mama.« Scheu lächelte Will sie an. »Du bist wieder da.«
    »Was hast du denn gedacht?«, antwortete Ellen mit gespieltem
Erstaunen. »Ich bin froh, dass du so lange geschlafen hast. Bald geht es dir wieder richtig gut. Dann kannst du wieder Bäume ausreißen.« Will streckte die Arme hoch, und sie zog ihm das feuchte Hemd aus. Eine dünne weißliche Linie zog sich über seine Brust. Beim Schwimmen behielt er immer ein T-Shirt an, weil er sich ihrer schämte. Wie ein knorriger Reißverschluss aus Fleisch hatte diese lange Operationsnarbe einmal ausgesehen. Niemals würde sie das vergessen können. »Hast du Hunger?«
    »Nein.«
    »Vielleicht eine Suppe?« Ellen legte ihm die Hand auf die Stirn. Sie konnte sich nicht erinnern, wann sie das letzte Mal ein Thermometer benutzt hatte. Eine richtige Mutter brauchte das nicht.
    »Keine Suppe, Mama.«
    »Okay. Wie wär’s mit Würmern und Käfern?«
    »Nein!« Will kicherte.
    »Aha, die hast du schon heute zu Mittag gegessen. Deshalb bist du also krank.«
    »Nein.« Will kicherte wieder. Da tauchte Oreo Figaro in der Zimmertür auf, ein dicker Kater mit einem Buckel wie Quasimodo.
    »Jetzt hab ich die Lösung. Wie wär’s mit Katzenfutter? Oreo Figaro gibt dir sicher gern etwas ab.« Ellen sah den Kater an. »Oreo Figaro, gibst du Will etwas von deinem Abendessen ab?« Sie wandte sich wieder zu Will. »Keine Chance. Oreo Figaro meint, du sollst dir selber was besorgen.«
    Will hielt sich den Bauch vor Lachen, und Ellen überlegte, ob sie nicht eine Zweitkarriere als Pausenclown starten sollte.

    »Er muss mir was abgeben.«
    »Oreo Figaro, hast du gehört, was Will gesagt hat?« Sie drehte sich zu Will. »Oreo Figaro sagt: Ich bin ein Kater, und deshalb mache ich, was ich will. Und ich will nicht teilen.«
    »Oreo Figaro, nimm dich in Acht!«
    »Genau.« Ellen nahm das Medizinfläschchen vom Nachttisch, drehte die Verschlusskappe auf und zählte die Tropfen ab. »Medizin für meinen Spatz. Mund auf!«
    »Wo ist Oreo Figaro?« Will öffnete den Mund.
    »Hinter mir. Alles geschluckt?«
    »Ja, Mama, hol ihn.«
    »Sofort.« Ellen verschloss das Medizinfläschchen und schnappte sich den Kater, der sich gern ins Bett tragen ließ. Er nahm seinen Platz am unteren Ende der Matratze ein, den Schwanz gekrümmt wie ein Hirtenstab.
    »Oreo Figaro, du musst mit mir teilen.« Will ermahnte seinen Spielgefährten, während Ellen nach einer Flasche Wasser suchte.
    »Trink das bitte für mich, mein Süßer.« Sie half ihm auf, damit er in kleinen Schlucken aus der Flasche trinken konnte.

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