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Fatal - Roman

Titel: Fatal - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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Julia Guest. Mein Job hängt davon ab, und ich möchte nicht, dass du es mir vermasselst.«
    »Keine Sorge. Du machst deine Hausaufgaben, und ich mache meine.«
    »Das würde ich dir auch raten.« Sarah streifte Ellen beim Hinausgehen. Sie murmelte etwas in sich hinein.
    Komischerweise murmelte Ellen das Gleiche:
    Blöde Ziege.

19
    Es war Mittagspause. Ellen arbeitete an der Mordgeschichte. Sie las in Sarahs Notizen und in eigenem Recherchematerial. Erst nach der Lektüre wollte sie Leute kontaktieren. Doch sie konnte sich kaum konzentrieren; Karen Batz ging ihr nicht aus dem Kopf. Heute Abend würde Wills Adoptionsakte Licht ins Dunkel bringen. Mit Connie hatte sie schon gesprochen. Sie war bereit, länger zu bleiben.
    Ihr Blick kehrte zu den Notizen auf ihrem Schreibtisch
zurück. Verdammt, sie musste sich zusammennehmen und so tun, als wäre sie mit dem Artikel beschäftigt. Schließlich war Marcelo in seinem Büro, er hatte eine Besprechung nach der anderen. Sie sah auf, und im selben Augenblick sah er sie durch die Glasscheibe an.
    Ellen lächelte, errötete, und Marcelo brach den Augenkontakt ab. Er wandte sich wieder den Leuten zu, die bei ihm saßen, und gestikulierte beim Sprechen. Die Hemdsärmel hatte er achtlos hochgekrempelt. Ellen sah auf ihren Schreibtisch und versuchte, sich zu konzentrieren. Dann wurde ihr bewusst, dass es nur noch ein paar Stunden hell sein würde.
    Sie griff zum Telefon.

20
    In diesem Viertel wurde es früher dunkel als anderswo. Die Sonne war untergegangen, und der Himmel sah aus wie ein ramponierter schwarzer Blechtopf. Ellen umkreiste den Häuserblock. Während des Fahrens machte sie sich flüchtig Notizen. Müll lag im Rinnstein neben alten Autos. Reihenhäuser mit rußigen Ziegeldächern säumten die schlecht gepflasterten Gehwege. Bei einigen Häusern waren fehlende Fenster durch Sperrholzplatten ersetzt worden. Sie waren mit Grafitti besprüht. Bei anderen starrte man in dunkle hässliche Löcher. Verandadächer hingen durch, von verzogenen Rollläden blätterte die Farbe ab. Viele Türen waren zugenagelt.
    An dieser Straßenecke war vor zwei Wochen ein Junge
erschossen worden. Lateef Williams. Er war lediglich acht Jahre alt geworden.
    Ellen bog in die Eisner Street ein, in der nur eine einzige Straßenlaterne funktionierte. Ihr Schein fiel auf einen Haufen Schutt und ein paar Autoreifen, die jemand hier deponiert hatte. Vor der Hausnummer 5252 hielt sie an. In diesem Haus hatte Lateef gewohnt. Die Plastikblumen vor der Tür waren kaum zu sehen. Ein lilafarbener Stoffhase saß neben ein paar Spiderman-Figuren; es gab eine riesige Tüte Bonbons, Buntstiftzeichnungen, Beileidskarten und Blumen. Auf einem handgeschriebenen Schild stand: TEEF, WIR LIEBEN DICH. Die Kerzen hatte man wegen des kalten Windes nicht angezündet; kein wärmendes Licht leuchtete an diesem Ort des Todes.
    Ellen wusste nicht, wie viele Kinder im letzten Jahr in der Stadt getötet worden waren. Für sie war die Ermordung eines Kindes etwas Unfassbares, etwas, mit dem sie sich nie abfinden konnte. Sie schaltete den Motor aus und sammelte ihre Unterlagen zusammen. Sie wollte mit Lateefs Mutter sprechen.
    Laticia Williams öffnete ihr die Tür. Sie war siebenundzwanzig Jahre alt, hatte ein hübsches schmales Gesicht, kleine braune Augen und einen markanten, ungeschminkten Mund. Lange Ohrringe mit Holzperlen sahen unter ihrem kinnlangen rötlichen Haar hervor. Über ihren Jeans trug sie ein schwarzes T-Shirt mit dem Foto ihres Sohnes. Unter dem Bild stand »Ruhe in Frieden«.
    »Vielen Dank, dass Sie gekommen sind«, sagte Laticia und bot Ellen eine Tasse Kaffee an. Die Küche war klein und gepflegt, die Schränke waren mit dunklem Holz verkleidet. Auf der Ablage standen Keksdosen und zwei mit
Folie abgedeckte Obstkuchen, von denen Laticia behauptete, sie seien misslungen und sie könne sie niemandem anbieten.
    »Ich danke Ihnen, dass Sie in dieser schweren Zeit mit mir reden wollen«, sagte Ellen, nachdem sie Laticia ihr Beileid ausgesprochen hatte. »Was ich an meinem Beruf hasse, ist, dass ich in die Wohnungen von Menschen hereinplatzen muss, wenn es ihnen am schlechtesten geht. Nochmals, mein herzlichstes Beileid.«
    »Danke.« Laticia setzte sich. Sie bemühte sich zu lächeln. Einer ihrer Vorderzähne war mit einem Goldrand versehen. »Ich will, dass es in der Zeitung steht. Alle sollen wissen, was hier vor sich geht. Alle sollen wissen, dass jeden Tag Kinder erschossen werden. Da kann man doch nicht

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