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Fatal - Roman

Titel: Fatal - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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Ellen schloss das Seitenfenster. Erst als er sich wieder in den Verkehr eingeordnet hatte, fühlte sie sich erleichtert. Sie sah in den Rückspiegel. Will war eingeschlafen, mit zur Seite gesunkenem Kopf. Die Tränenspuren auf seinen Wangen erinnerten an die feinen Schleimbahnen einer Schnecke.
    Sie wartete auf eine Lücke im Verkehrsstrom. Ihre Stirn fühlte sich feucht an, der Herzschlag war aber wieder normal. Dem Impuls, ihr Blackbery zu checken, widerstand sie. Sie ahnte, dass Amy Martin ihr so schnell nicht antworten würde.
    Wieder einmal sehnte sie sich nach der Zeit zurück, als ihre Mutter noch gelebt hatte. Sie musste mit jemandem über Timothy Braverman reden. Ihre Mutter hätte Rat gewusst.
    Ellen sah ihre Felle davonschwimmen. Sie war im Büro in Ohnmacht gefallen. Sie hatte die Deadline nicht eingehalten. Wenn sie sich nicht am Riemen riss, könnte sie ihren Job an Sarah verlieren. Nur wenn sie jetzt kühlen Kopf bewahrte, würde sie sich retten können.
    Sie beschleunigte die Fahrt, ein neues Ziel vor Augen.

38
    »Hallo, Dad«, sagte Ellen und zog die Eingangstür hinter sich zu.
    »Hallo, Opa!« Will riss die Arme hoch. Er hatte im Wagen lange geschlafen. Für die Fahrt hierher hatten sie über eine Stunde gebraucht.
    »Mein kleiner Freund!« Die Augen ihres Vaters strahlten. »Das ist aber eine Überraschung! Komm zu mir!« Will sprang in seine Arme und schlang die Beine um ihn wie ein Affe.
    »Dad, pass auf deinen Rücken auf«, sagte Ellen. Ihr Vater sah gut aus, nur sein Gesicht war leicht gerötet.
    »Bist du verrückt? Was kann mich glücklicher machen? Ich habe meinen Enkel so vermisst.«
    Will schmiegte sich fest an ihn. »Ich bin den großen Berg runtergefahren.«
    »Das musst du mir alles erzählen«, sagte ihr Vater und trug ihn ins Wohnzimmer.
    Ellen legte Mantel und Mütze auf einem Stuhl ab und sah sich um. Der Teppich war bereits zusammengerollt, ein ödes gelbes Viereck auf dem Parkettboden hinterlassend. Überall standen Pappkartons herum.
    »Wir sind nur ein Mal runtergefahren. Dann hat Mama es verboten.« Will hob tadelnd einen Zeigefinger. Der Großvater zog ihm den Schneeanzug aus.
    »Warum hat sie es verboten, Willy Billy?«
    »Sie sagte, ich bin noch zu klein.«
    »Sie ist so böse!« Er streckte seiner Tochter die Zunge heraus, Will hielt sich vor Lachen den Bauch.

    »Ich hoffe, wir kommen nicht ungelegen.« Sie zeigte auf die Kartons. »Stören wir dich beim Packen?«
    »Keineswegs.« Ihr Vater trug Will zur Couch und nahm ihn auf den Schoß. »Das hat alles Barbara gemacht. Für heute ist sie fertig.«
    »Du hast das Haus noch nicht zum Verkauf angeboten? Ich habe kein Schild gesehen.«
    »Es kann aber schnell gehen. Frank Ferro hat sich schon dafür interessiert.« Er zeigte auf einen kleinen Karton auf dem Fernseher. »Da sind Sachen von deiner Mutter drin, Fotos und so weiter. Vielleicht willst du ihn mitnehmen.«
    »Natürlich, danke dir.« Barbara hatte also ihre Mutter in eine Schachtel gepackt.
    »Wo ist Thomas, meine kleine Lokomotive?«, fragte Will verwundert. Die Spielzeugkiste war aus ihrer Ecke verschwunden.
    »Das alte Dampfross ist hier, mein Sohn«, antwortete der Großvater. Er zeigte ihm einen großen Karton, der offen stand. »Schau, Cowboy. Die ganze Bande ist hier versammelt.«
    »Meine Lok!« Will griff in die Schachtel und zog Thomas heraus. Er schob das rote Gefährt auf dem Fußboden hin und her, die Plastikräder quietschten.
    »Ich muss mit Opa in der Küche etwas bereden«, sagte Ellen.
    »Lokführer, ich bin gleich zurück«, sagte ihr Vater. Er ging mit ihr in die Küche und sah sie lächelnd an. Er trug einen gelben Golfsweater und Khakihosen. »Gott liebt unseren Kleinen.«
    »Stimmt.«

    »Wie groß er schon ist! Er schießt wie Unkraut in die Höhe.«
    »Auch das stimmt.«
    »Du musst ihn öfter vorbeibringen, El. Barbara möchte ihn unbedingt kennenlernen.«
    »Das werde ich tun.«
    »Er ist viel aufgeweckter als ihre Enkelkinder. Die sagen kaum ein Wort, und Will, er redet wie ein Wasserfall.«
    Ellen lachte. Sie war immer wieder erstaunt, wie ihr Vater in Wills Gegenwart aufblühte. Er wurde zu einem anderen Menschen, wenn Will da war. Ellen war das sonst sehr lieb, aber heute nicht. Heute ging es um etwas Ernstes. »Dad, ich muss mit dir sprechen.«
    »Klar. Was hat meine Kleine auf dem Herzen?«
    »Was du jetzt hören wirst, mag in deinen Ohren seltsam klingen. Mach dich also auf einiges gefasst.« Ellen sprach leiser, auch wenn Will

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