Fatal - Roman
Connie - wir sind seine Welt. Die anderen sind Fremde für ihn.«
»Aber sie sind nun mal seine leiblichen Eltern. Ein Dilemma, juristisch sehr interessant.«
»Was ist daran interessant?« Ellen war erbost.
»Augenblick mal.« Rons Stimme wurde sanfter. Aus dem Juraprofessor wurde wieder ein Freund. »Es war doch nur eine Hypothese. Kehren wir in die Welt der Tatsachen zurück. Damals, als wir uns kennenlernten, warst du noch voller Zweifel, ob du ihn adoptieren solltest oder nicht. Erinnerst du dich?«
»Ja.«
»Es gab damals, und es gibt auch heute keinen Grund zu glauben, dass mit dieser Adoption etwas nicht stimmt.«
»Und was ist mit dem verklebten Eierstock? Mit dem Selbstmord der Anwältin?«
»Frauen, die angeblich keine Kinder bekommen können, werden plötzlich schwanger. Das passiert alle Tage. Nimm zum Beispiel meine Schwiegertochter. Und leider bringen sich auch Anwälte ab und zu um.«
»Ich bin nicht verrückt, Ron.«
»Das habe ich nicht gesagt, und das denke ich auch nicht. Du hast eine fixe Idee, die dich nicht mehr loslässt. Deshalb bist du auch so eine gute Reporterin. Übrigens hast du Will hauptsächlich deshalb adoptiert.« Ron wedelte mit dem Zeigefinger. »Ich kriege ihn nicht mehr aus dem Kopf, hast du mir damals gesagt.«
»Ich erinnere mich«, sagte Ellen traurig. An den schrägen Kanten eines schweren Kristallpokals brach sich ein Sonnenstrahl. Ein Bild wie aus einem Physikbuch.
»Willst du meinen Rat hören?«
»Ja.«
»Gut. Dann hör mir zu.«
War jetzt der Augenblick der Wahrheit gekommen? Ellen fiel das Atmen schwer.
»Nimm diese Papiere und sperr sie weg, am besten in die unterste Schublade deines Schreibtisches.« Ron schob die Fotos, das Phantombild und den Ordner zu ihr hinüber. »Deine Adoption ist rechtskräftig. Will ist dein Kind. Hab Spaß mit ihm, und lad Louisa und mich zu seiner Hochzeit ein.«
Ellen packte ihre Papiere zusammen. Wie gern würde sie diesen Rat befolgen. »Ich kann das nicht. Ich will die Wahrheit wissen.«
»Ich habe dir die Wahrheit gesagt. Du hast dir aus ein paar Verdachtsmomenten Tatsachen zurechtgebastelt.«
»Trotzdem, es fühlt sich nicht gut an.« Die Gefühle fuhren Achterbahn mit ihr. Deshalb war es gut, sie auszusprechen. »Weißt du, was ich wirklich fühle? Ich spüre, dass mein Kind angeschlagen und krank ist. Aber alle Ärzte behaupten unentwegt, es ginge ihm prächtig. Nicht nur mein Vater, auch du behauptest das.«
Ron verfiel in Schweigen.
»Aber ich bin seine Mutter. Ich kenne ihn.« Ellen war überrascht, wie bestimmt und klar sie plötzlich sprach. »Nenn es Mutterinstinkt oder Intuition. Eine Stimme hier drin sagt mir, dass ich mich nicht täusche.«
»Ich verstehe. Du vertraust dieser Stimme.«
»Ja.«
»Und niemand kann dich davon abbringen.«
»Ja.«
»Du bist dir sicher, hundertprozentig sicher.«
»So ist es«, sagte sie. Ein leichtes Lächeln zeichnete sich auf Rons Gesicht ab. Ihre Haltung beeindruckte ihn.
»Aber du brauchst Beweise, untrügliche Beweise. Und du hast keine. Verstehst du?«
»Ja«, antwortete Ellen und stand auf. Sie hatte verstanden. »Wenn ich Beweise brauche, werde ich sie dir bringen. Vielen Dank für deine Hilfe.«
»Ich habe es gern getan.« Auch Ron stand auf, sein Blick wurde ernst. »Aber gib acht! Falls du herausfindest, dass Will Timothy Braverman ist, wird es dir noch viel schlechter gehen als jetzt schon. Nicht einmal meinem ärgsten Feind wünsche ich, eine derartige Entscheidung treffen zu müssen.«
»Was würdest du tun, wenn es dein Kind wäre?«
»Keine zehn Pferde könnten mich dazu bewegen, es zurückzugeben.«
»Sicher?«
»Sicher.«
»Du behältst also etwas, was dir nicht gehört. Und das bereitet dir keine Probleme?«
Ron wiegte den Kopf. »Eine sehr gute Frage.«
»Und wie erkläre ich das Will, wenn er groß ist? Was, wenn er selbst dahinterkommt? Was sage ich ihm? Vielleicht, dass ich ihn behalten habe, weil ich ihn liebe? Aber ist das wirklich Liebe oder nur Egoismus?« Aus Ellen sprudelten die Fragen heraus, ihr Herz machte sich Luft. »Als ich Will adoptiert habe, glaubte ich, er wäre jetzt mein Kind. Seine Mutter hatte ihn ja allem Anschein nach freiwillig hergegeben. Aber wenn man ihn ihr gewaltsam weggenommen hat, dann ist er nicht mein Kind.«
Ron sah zur Seite.
»Was sagst du dazu? Bitte!« Ellen stiegen Tränen in die Augen. »Was würdest du tun?«
Ron seufzte. »Ich müsste wahrscheinlich gar nichts tun. Louisa hätte mich
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