Fauler Zauber
verlassen, daß ich anschließend mit niemandem darüber plauderte. Verstehen Sie das?«
Ich nickte. Sinnlos, sie bremsen zu wollen.
»Vor ein paar Monaten wurde sie also in den Cantard berufen, weil das Kriegsglück sich offenbar uns zuwandte und wir nun so viel Druck ausüben mußten, wie wir konnten. Den Haushalt hat sie mir – wie schon Dutzende Male zuvor – zu treuen Händen übergeben. Sie hat mir besonders eingeschärft, mich um ihre Familie zu kümmern, weil diese die wachsende Tendenz zeigte, in Skandale verwickelt zu werden.«
»Sie meinen die beiden Karls? Die beiden stehen ja immer im Mittelpunkt von Tratsch und Klatsch. Von der Tochter wußte ich gar nichts, bis ich sie kennengelernt habe.«
»Sie war wirklich blind, die Sturmwächterin. Die Mädchen hätten ihre Liebe verdient. Obwohl Amber in letzter Zeit Anzeichen von Aufsässigkeit zeigt, wohl weil sie Aufmerksamkeit sucht.«
Ich beschränkte mich auf ein Nicken.
Sie holte tief Luft. »Doch diesmal scheine ich unter einem Fluch zu stehen, seit die Sturmwächterin fort ist. Vater und Sohn scheinen mich bei jeder Gelegenheit zu überlisten. Dann die Sache mit der Entführung. Ich mußte das Familienvermögen erheblich plündern und Silber zum Schleuderpreis verkaufen, um eine solch ungeheure Menge von Gold zusammenzubringen. Es war ein Desaster, aber die Sturmwächterin hätte den Grund akzeptiert, nachdem ihr erster Zorn verflogen war. Vielleicht hätte ich sogar Amirandas Flucht während dieses ganzen Durcheinanders überstanden. Das Mädchen schien schon länger unruhig zu sein, bevor es flüchtete. Selbst die Sturmwächterin ahnte, daß es so kommen würde. Aber zweihunderttausend Goldtaler zum Fenster hinauszuwerfen, um Karl auszulösen, nur damit der sich dann umbringt, das ist nicht akzeptabel.«
Sollte ich so tun, als wüßte ich nichts von Junior? Mein Instinkt riet mir zur Vorsicht. »Haben Sie gerade gesagt, Karl hätte sich umgebracht?«
»Heute morgen. Er hat sich die Pulsadern aufgeschnitten und ist verblutet. In einem Loch in Fishwife's Close.«
»Warum hat er das getan?«
»Das weiß ich nicht, Mr. Garrett. Und um ehrlich zu sein, ich kann mir im Moment auch nicht darüber den Kopf zerbrechen. Jedenfalls hat er mich ruiniert. Vielleicht wollte er es so. Er war ein seltsamer Junge und hat mich gehaßt. Aber ich bin nicht Karls wegen hier. Ich bin sowieso dem Untergang geweiht, wenn die Sturmwächterin in Kürze nach Hause kommt. Nur mein Stolz hält mich aufrecht, auch wenn er übel ramponiert ist. Vernichtet ist er noch nicht ganz. Er treibt mich dazu, für sie zu retten, was zu retten ist. Amber ist heute morgen weggelaufen. Deshalb wende ich mich an Sie.«
Ich heuchelte Interesse.
»Amiranda und Amber irren irgendwo herum und sind deshalb in Gefahr. Wenn ich sie für die Sturmwächterin retten kann, werde ich es tun. Zumindest will ich es versuchen. Selbst wenn ich dafür meine eigenen Ersparnisse opfern muß. Ich möchte, daß Sie die Mädchen finden. Wenn Sie können.«
»Könnte Slauce nicht …?«
»Courter Slauce ist ein unfähiger Kretin. Heute morgen habe ich ihn Amber hinterhergeschickt. Er tauchte wieder auf, kurz bevor ich zu Ihnen kam. Er war zu betrunken, um sich daran zu erinnern, wo er war und was er getan hat. Mich tröstet nur der Gedanke, daß er verhungern wird, wenn die Sturmwächterin uns erst auf die Straße gesetzt hat. Werden Sie meine verschwundenen Mädchen suchen, Mr. Garrett?«
»Geben Sie mir ein paar Minuten Bedenkzeit.« Ich mußte ein paar Knitterfalten in meinem Berufsethos ausbügeln und mein Gewissen trösten. Ich arbeitete schon für drei Klienten: für mich, für Eierkopf und für Amber. Obwohl Amber nicht die Erste-Klasse-Nummer bekam. Und bezahlt wurde ich von keinem der drei.
Willa Dount würde zahlen, obwohl sie nichts für ihr Geld erhielt. Mir fiel ein interessantes Experiment ein.
»Nehmen wir mal an, ich hätte eine Ahnung, wo ich eines der Mädchen finden könnte. Und zwar sofort.«
»Haben Sie denn eines?«
»Betrachten Sie es als Annahme. Woher soll ich wissen, daß ich mein Honorar auch tatsächlich bekomme?«
Sie stand umständlich auf, als wäre sie plötzlich Jahrzehnte gealtert. »Auf diese Möglichkeit war ich vorbereitet.« Sie lächelte unmerklich.
Sie fing an, kleine Rehlederbeutel aus ihrem Mantel hervorzuziehen. Nach einer Minute standen zehn davon fein säuberlich aufgereiht vor mir auf dem Tisch. Sie glichen dem, in dem mein Vorschuß war, wie ein Ei
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